Droht Preisdumping bei Planungsleistungen und führt dies zu mangelnder Qualität am Bau? Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Sommer 2019 die Höchst- und Mindestsätze der Honorarordnung der Architekten und Ingenieure (HOAI) für unvereinbar mit dem EU-Recht erklärt. Steht nun zu erwarten, dass alle Gebühren- bzw. Honorarordnungen der Freien Berufe in Deutschland in Frage gestellt werden – auch die der Ärzte und Zahnärzte, Anwälte, Notare, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer? Der Verband Freier Berufe in Bayern (VFB) diskutierte auf der Jahreshauptversammlung am 20. November in München die Auswirkungen dieses Urteils auf alle Freien Berufe und die Auswirkungen auf Verbraucher, Klienten und Patienten hinsichtlich der Qualität der Leistungen. Mit der Umsetzung der Verhältnismäßigkeitsprüfung in den Selbstverwaltungen der Freien Berufe wartet 2020 eine weitere Herausforderung auf die regulierten Berufe und ihre Selbstverwaltungen.
Die Frage, wie man die neue EU-Kommission vom Wert der Freien Berufe mit ihrer Selbstverwaltung überzeugen kann, treibt den Verband Freier Berufe in Bayern um. Bislang wurden die traditionellen Strukturen der am Gemeinwohl ausgerichteten Freien Berufe in Brüssel kritisch hinterfragt. Für die Kommission ist der freie Dienstleistungsverkehr im Binnenmarkt Europa in Zeiten zunehmender Globalisierung das erklärte Ziel, um Wachstum zu generieren und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Gegen das Zerschlagen der Strukturen der regulierten Berufe stemmen sich die Verbände der Freien Berufe in Bayern und auf Bundesebene. Regulierte Berufe folgen einer Berufsordnung und verwalten sich selbst. Diese Selbstverwaltungen garantieren die Qualität der Dienstleistung, schützen den Verbraucher und entlasten den Staat finanziell und bürokratisch. Mit anderen Worten: die Freien Berufe sind dem Gemeinwohl verpflichtet und nicht an Renditezielen ausgerichtet.
„Wir müssen überlegen, wie wir uns in Zukunft unter den sich verändernden gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen aufstellen“, sagte VFB-Präsident Michael Schwarz in seinem Rechenschaftsbericht. Ein erster Schritt war 2018 die Erweiterung der Satzung. Nicht nur Selbstständige, sondern auch angestellte Berufsangehörige sind seither unter dem Dach der Freien Berufe in Bayern vereint – insgesamt rd. 900.000 Freiberufler mit einem erwirtschafteten Gesamtumsatz von 40 Milliarden Euro.
Themen wie die weiter zunehmende Bürokratielast, die Digitalisierung, der Umgang mit und Einsatz von künstlicher Intelligenz beschäftigen den Verband und stellen gerade kleine Büros, Praxen und Kanzleien vor große Herausforderungen. Bis Mitte 2020 muss die EU-Richtlinie zur „Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen“ auf Bundes- und Landesebene umgesetzt werden. Neue Regelungen der Berufsausübung müssen künftig evidenzbasiert bewertet werden. Für den VFB stellt diese Richtlinie das Aushöhlen der Wertigkeit der Selbstverwaltung dar. Präsident Schwarz wies auf die notwendige enge Zusammenarbeit der Fachbehörden mit den Aufsichtsbehörden im jeweiligen Bundesland hin.
Der Bayerische Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz, Thorsten Glauber, MdL, bezeichnete in seinem Impulsstatement die Bedeutung der Freien Berufe als prägend. Gemeinsam müsse die Idee hinter der Struktur weitergetragen werden. Staatsminister Glauber ist als Architekt und Ingenieur ein Angehöriger der Freien Berufe.
Auch Kammer- und VFB-Vizepräsident Architekt Karlheinz Beer warb bei den Delegierten dafür, Architekten, Landschafts- und Innenarchitekten sowie Stadtplaner nach dem Urteil des EuGH vom Juli 2019 bei der Forderung nach einer angemessenen Honorierung ihrer Leistungen zu unterstützen: „Zu den Berufsaufgaben der Architektinnen und Architekten aller Fachrichtungen zählt nicht nur die gestaltende, technische, wirtschaftliche und soziale Planung von Bauwerken, sondern auch die Sicherheit der Nutzer und der die Öffentlichkeit betreffenden Aspekte. Wir Planer liefern mit unserem Know-how diese zu Recht von der Gesellschaft erwarteten Leistungen. Wir werden deshalb den Wert professioneller Planung und die damit verbundene Qualität noch stärker in die politische Diskussion einbringen. Ich zähle dabei auch auf die Unterstützung der Angehörigen der anderen Freien Berufe!“
Quelle: Presseinformation des Verbands Freier Berufe in Bayern e.V. (VFB) vom 26.11.2019