10/2019 Suffiziente Gebäude

Avatar of BEN BEN - 01. Oktober 2019 - Klimaschutz

Gemeinschaftliches Wohnen, wagnisART, München bogevischs büro + shag Udo Schindler und Walter Hable Architekten

Architektouren 2017 / Foto Julia Knop

"Weniger ist mehr."

Ludwig Mies van der Rohe

 

Der Begriff "Nachhaltigkeit" ist facettenreich und in aller Munde. Es herrscht dabei weitgehend Einigkeit, dass nachhaltiges Bauen dem Erhalt unserer Lebensgrundlagen und der Regeneration unserer Ökosysteme dienen soll. Doch die anhaltende Erschöpfung der natürlichen Ressourcen zeigt, dass wir von praktizierter, wirksamer Nachhaltigkeit, noch weit entfernt sind.

Das Prinzip der Suffizienz kann in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle spielen. Suffizientes Verhalten bedeutet, sich am tatsächlichen Bedarf zu orientieren und sich von Überflüssigem zu befreien – also "maßzuhalten".

Komponenten des nachhaltigen Wirtschaftens, wie:

"Effizienz" (Minimierung des Verhältnisses von Aufwand zu Nutzen) und

"Konsistenz" (Regeneration und Wiederverwendung von Ressourcen)

erzielen die eigentliche Durchschlagskraft erst durch die:

"Suffizienz" (Reduzierung des Bedarfs).

Effizientes und konsistentes Handeln unterstützt bei vermindertem Einsatz von Ressourcen unsere auf Wachstum angelegte Wirtschaftsordnung. Technische Innovationen (z.B. Einsatz von Umweltenergien), finanzielle Förderungen (z.B. Verwendung nachwachsender Rohstoffe) und gesetzliche Vorgaben (z.B. Energiestandards) haben hierbei zu großen Fortschritten geführt. Trotz dieser Erfolge kommen wir dem Ziel einer nachhaltigen Gesellschaft aber nicht näher, solange unser Handeln nicht durch Suffizienz geprägt ist.

Suffizienz als Maßnahme gegen den Rebound Effekte

Das stetige Wachsen der Ansprüche an Lebensqualität und Energiebedarf, wird durch die Effizienzfortschritte nicht ausgeglichen. Stattdessen erleben wir sogenannte Rebound-Effekte. Beispielsweise führt der wachsende Wohnflächenbedarf pro Person, bei eigentlich sinkendem Wärmebedarf pro Wohnfläche zu einem insgesamt stagnierenden oder sogar steigenden Pro-Kopf-Wärmeverbrauch. Global kommt noch ein Bevölkerungswachstum hinzu, so dass der Ressourcenverlust weltweit besorgniserregend zunimmt. Suffizientes Handeln kann den Verbrauch von vornherein senken und führt, gepaart mit höchster Effizienz, zu einer radikalen Ressourceneinsparung.

Suffizienz in Planung und Umsetzung

Suffizienz beruht nicht auf technischen Neuerungen, sondern auf einer Innovation der grundsätzlichen Herangehensweise. Das "optimale Minimum" sollte eine Maxime in allen Planungsphasen sein. Für das Bauen bedeutet dies, dass bereits vor und während der Bedarfsplanung (Raumprogramm, Neubau oder Bestandsnutzung, etc.), die maßgeblichen Weichen für suffiziente Gebäude gestellt werden müssen. Obwohl diese Entscheidungen analytische und kreative Fähigkeiten erfordern, werden sie leider meist ohne Mitwirkung von Architekten und Fachleuten gemacht. Auch im weiteren Projektverlauf können Bauherren und Architekten mit Blick auf die Suffizienz, Umweltverbrauch, Investitions- und Nutzungskosten verringern. Der ByAK-Leitfaden "Nachhaltigkeit gestalten" nennt eine Reihe von Maßnahmen, die im Einflussbereich der Architekten liegen.

Beispiele suffizienten Wohnens:

Sogenannte Tiny Houses verfügen über geringe Wohnflächen von 15 – 40 m² und senken dadurch radikal den Pro-Kopf-Verbrauch der Bewohner. Teilweise sind die Häuser sogar mobil und energieautark. Liebhaber dieser Wohnform schätzen die "Befreiung vom Überfluss" [Link auf Niko Paech] und das essentielle Leben.

Auch gemeinschaftliches Wohnen reduziert den Pro-Kopf-Flächenbedarf, indem bestimmte Nutzungen geteilt werden. In einer klassischen Wohngemeinschaft werden Küche und Bad gemeinsam genutzt, wodurch sich ein Pro-Kopf-Flächenbedarf von ca. 30 m² (statt dem Durchschnitt von ca. 45 m²) ergibt. In einer funktionalen Wohngemeinschaft gibt es oftmals nur mehr temporäre Rückzugsbereiche, wodurch der Pro-Kopf-Flächen-Bedarf bei gleicher Aufenthaltsqualität auf ca. 20 m² reduziert wird. Gemeinschaftlichen Wohnformen bieten darüber hinaus Nutzungen an, die im direkten Wohnumfeld in der Regel nicht zu finden sind (Sauna, Bibliothek, Co-Working-Spaces, etc.).

 

"Suffizienz ist das einfachste und zugleich schwierigste Nachhaltigkeitsprinzip. Es geht hier nicht um besseren Konsum, sondern um Nicht-Konsum, also die freiwillige Beschränkung der materiellen Selbstverwirklichung auf ein Maß, das auf die anderen heute und morgen lebenden Menschen übertragbar ist."

Niko Peach, Prof. für Produktion und Umwelt, Oldenburg / Magazin "Movum"

 

 

typischer Flächenbedarf unterschiedlicher Formen gemeinschaftlichen Wohnens
Autor Ulrich Jung

typischer Flächenbedarf unterschiedlicher Formen gemeinschaftlichen Wohnens

Autor: Ulrich Jung, BEN

Weiterführende Links

Minihäuser, Informationen im Baunetz
https://www.baunetz.de/baunetzwoche/baunetzwoche_ausgabe_4023307.html

"Beispielhafte Bauten - energieeffizientes Bauen in Bayern" der Bayerischen Architektenkammer
https://www.byak.de/beispielhafte-bauten.html

Publikation "Nachhaltigkeit gestalten":
Auszug zum Thema Suffizienz
gesamte Publikation "Nachhaltigkeit gestalten" zum Download

 

 


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2 Kommentare

BEN

07. Oktober 2019

...moderne Arbeitswelten, sogenannte "co-workings spaces" können auf verschiedene Weise nachhaltig sein. Wenn die Flächen gut geplant sind, bieten sie auf der einen Seite, zur jeweiligen Aufgabe passende Arbeitsatmosphären und ein entspanntes wie kommunikatives Arbeiten mit Rückzugsräumen an, auf der anderen Seite können "co -working spaces" zum Platzsparen beitragen und eine effizeinte Büro-Flächennutzung ermöglichen. So erhöhen sie neben der Nutzerzufriedenheit auch die Wirtschaftlichkeit und die Flächeneffizienz.

Laible Verlagsprojekte
Johannes Laible

02. Oktober 2019

Wie schon oben erwähnt: Ein Aspekt der Suffizienz ist die Reduzierung der Wohnflächen. Diesem Thema widmet sich unser neues Jahresmagazin "Kleiner Wohnen 2019/2020".
Weitere Infos dazu:
https://www.verlagsprojekte.de/kleiner-wohnen/kleiner-wohnen-news/newsreader/druckfrisch-magazin-kleiner-wohnen.html