01.10.2022

10/2022 Starkregen und Sturzfluten in der Planung

Klimaschutz

Bild: Ingenieurbüro Reinhard Beck/Stadt Kempten

"Die Folgen des Klimawandels stellen uns vor große Herausforderungen – angefangen bei den immer häufigeren Starkregenereignissen bis hin zum Thema Wassersicherheit."

Thorsten Glauber, bayerischer Umweltminister auf dem 7. KLIWA-Symposium am 14./15.09.2022

Die Klimawirkungs- und Risikoanalyse für Deutschland 2021 zeigt: Starkregen und Sturzfluten sind zentrale Herausforderungen bei der Anpassung an den Klimawandel. Vielen Städten und Gemeinden fehlen derzeit noch Grundlagen und Daten, um Risiken richtig einschätzen zu können und eine gezielte Vorsorge zu betreiben. Auch mangelt es an Bewusstsein für die ernstzunehmenden Gefahren und das hohe Schadenspotenzial. Extreme Starkregenereignisse und Sturzfluten können überall auftreten, auch fernab von Gewässern oder bisher bekannten Hochwassersituationen. Die gestiegenen Temperaturen lassen vor allem konvektive Starkregen häufiger werden, die sehr kleinräumig auftreten und nahezu ortsfest abregnen können. Nicht selten fällt in wenigen Stunden mehr Wasser auf den Quadratmeter als sonst im ganzen Kalendermonat.

Das Wasser kann dann nicht mehr im Boden versickern und fließt als Oberflächenabfluss der Topografie folgend ab. Versiegelte Flächen, wassergesättigte oder auch stark ausgetrocknete Böden verstärken diesen Effekt. Häufig ist das Kanalnetz in solchen Situationen überlastet und kann kein Wasser mehr abführen. Die Folge: Abseits von Flüssen und Gewässern können so Sturzfluten und Ströme entstehen, die Boden abtragen und zu erheblichen Schäden an Bauwerken und Infrastruktur führen. Lebensbedrohliche Situationen entstehen, wenn das Wasser Objekte mit sich reißt, hohe Fließgeschwindigkeiten erreicht oder tiefgelegene Bereiche wie Keller in sehr kurzer Zeit flutet. Stadträume und gebaute Umwelt sind darauf bisher nicht vorbereitet und benötigen dringend ein Klima-Update.

Vorsorge treffen

Ein Mittel der Vorsorge ist eine stadtweite dezentrale Regenwasserbewirtschaftung, anhand derer sich Spitzen bei extremen Niederschlägen in der Fläche abmildern lassen. Gemäß dem Prinzip der Schwammstadt werden Niederschläge zunächst in Mulden, Senken, Baumgruben, Rigolen und Zisternen sowie durch Gründächer gespeichert und zurückgehalten und dadurch der Vegetation zur Verfügung gestellt. Die Verdunstung offen zurückgehaltenen Wassers leistet zudem einen Beitrag zur Kühlung der Städte. Im letzten Schritt gilt es, Wasser intakten Böden zur Versickerung zuzuführen und möglichst nicht der Kanalisation und damit in die Vorflut einzuleiten, weil es hierdurch nur zu einer Verlagerung der Wassermassen kommt. Wichtig ist zudem, durch gute Kommunikation mehr Bewusstsein für Vorsorgemaßnahmen und den Umgang mit Gefahrensituationen zu schaffen. Eigentümerinnen und Eigentümer sind dabei besonders gefordert, da die Verantwortung für den individuellen Gebäude- und Objektschutz bei außergewöhnlichen und extremen Starkregenereignissen in privater Hand liegt, selbst wenn die Kanalisation überstaut sein sollte.

Starkregengefahrenkarten und Risikomanagement

Viele Städte und Gemeinden entscheiden sich für ein kommunales Starkregenrisikomanagement, mit dem die potenzielle Überflutungsgefährdung dargestellt, Risiken abgeschätzt und Vorsorgemaßnahmen entwickelt werden. Zunächst werden gemeindegebietsweite Starkregengefahrenkarten erstellt: Auf Grundlage von Topografie, Flächennutzung, Bodenkarten und gezielten Vermessungen werden Regenereignisse und Abflussverhalten digital modelliert und mögliche Überflutungsbereiche, Wasserstände und Fließgeschwindigkeiten dargestellt.

Mit den Starkregengefahrenkarten lassen sich alle relevanten Akteure in einen integralen Vorsorgeprozess einbinden. Gefahrensituationen können analysiert und Vorsorgemaßnahmen ressortübergreifend entwickelt und koordiniert werden. Das Risikomanagement wird derzeit durch das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz gefördert. Maßnahmen können kommunikativer oder informativer Art sein, die Organisation von Abläufen und Einsatzplänen betreffen oder bauliche Eingriffe darstellen, die sich mithilfe des Modells auf ihre Wirksamkeit hin testen lassen. Eingriffe in den Stadtraum müssen dabei einer ganzheitlichen, nachhaltigen Stadtentwicklung gerecht werden! Neben der reinen Starkregenvorsorge bieten sich enorme gestalterische Chancen, Synergien zwischen grüner, blauer und grauer Infrastruktur zu schaffen und räumliche Situationen auch hinsichtlich Flächeneffizienz, Stadt- und Landschaftsbild, nachhaltigem Umgang mit Böden und Artenvielfalt sowie der Nutzbarkeit zu verbessern.

Gemeinsam ins Handeln kommen

Vorsorge gegen Klimarisiken und Starkregen im Planungs- und Baualltag zu verankern, ist eine interdisziplinäre Herausforderung, die uns alle betrifft. Für Städte und Gemeinden stellt dies eine neue Aufgabe dar, für die es keinen standardisierten Lösungsweg gibt. Es gilt, mit den Akteuren vor Ort ins Handeln zu kommen und ein situationsgerechtes Vorgehen zu entwickeln.

Wenn Sie weitere Fragen zu den Themen Schwammstadt, Klimaanpassung(smaßnahmen) oder generell zum nachhaltigen Planen, Bauen und Förderungen haben, wenden Sie sich gerne direkt und kostenfrei an die Expertinnen und Experten der BEN – Beratungsstelle Energieeffizienz und Nachhaltigkeit: E-Mail: ben@byak.de; Tel.: 089 139880 88; www.byak-ben.de

Autoren: Markus Weinig, Andreas Rockinger

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