04/2025 Starkregen- und Hochwasservorsorge an Gebäude und Grundstück
Klimaanpassung

Aufenthaltsqualität am Wasser, ein Beispiel für naturnahe Planung
Extreme Wettereignisse nehmen durch den Klimawandel an Häufigkeit und Intensität zu. Das gilt für Starkregenereignisse, die zu Überflutungen und Hochwasser führen, ebenso wie für starke Hitze und damit verbundene Dürre, aber auch Sturm-, Unwetter- und Hagelereignisse. Folge sind rasante Veränderungen oder sogar der Verlust von Lebensräumen für Tiere und Pflanzen, aber auch konkrete Risiken für menschliches Leben, für Gesundheit und Wohlbefinden. Auch materielle Werte wie bauliche Infrastrukturen und Immobilien sind gefährdet.
Hochwasserschutz wird von der Bevölkerung oft als überregionale Vorkehrung auf Bundes- und Landesebene gesehen. Auch Landkreise und Kommunen werden adressiert. Bei kommunalen Liegenschaften wird erwartet und vorausgesetzt, dass Städte und Gemeinden ihren Pflichten für den Schutz und die Vorsorge angesichts Starkregen und Hochwassergefahren nachkommen.
Doch wie steht es um die Zuständigkeit bei privaten oder gewerblichen Liegenschaften? Welche Pflichten haben Eigentümer*innen? Und wie sehen Möglichkeiten des Objektschutzes und der baulichen Vorsorge aus?
Wer ist zuständig?
Die Zuständigkeiten beim Schutz vor Überflutung sind u.a. im Wasserhaushaltsgesetz § 5 geregelt:
(2) Jede Person, die durch Hochwasser betroffen sein kann, ist im Rahmen des ihr Möglichen und Zumutbaren verpflichtet, geeignete Vorsorgemaßnahmen zum Schutz vor nachteiligen Hochwasserfolgen und zur Schadensminderung zu treffen [...].
Für die Versickerung oder Ableitung des Wassers, das auf dem eigenen Grundstück anfällt, sind die Eigentümer*innen selbst verantwortlich. Je nach Regelungen in der Kommune darf es in die Kanalisation eingeleitet werden.
Die Kommune ist dafür zuständig, dass kein Wasser von öffentlichen Flächen das Grundstück überflutet: "Die Kommune ist für die schadensfreie Ableitung im öffentlichen Raum verantwortlich, und zwar bis zu einem "seltenen Starkregen". Ein vollständiger Schutz für Überflutungen ist bei außergewöhnlichen Starkregenereignissen nicht möglich [...].” (aus: Leitfaden Starkregen – Objektschutz und bauliche Vorsorge, BBSR 2019).
Zusammenfassend lässt sich sagen: Bei außergewöhnlichen und extremen Starkregenereignissen – mit denen wir in Zukunft häufiger rechnen müssen – liegt die Verantwortung für den individuellen Gebäude- und Objektschutz in privater Hand, selbst wenn die Kanalisation überläuft.
Wie können Gefahren erkannt und bewertet werden?
Zunächst gilt es, das individuelle Risiko angemessen einzuschätzen. Denn auch wenn eine Vielzahl technischer Möglichkeiten besteht, ist nicht jede Vorsorgemaßnahme an jeder Stelle unbedingt sinnvoll. Eigentümer*innen und Nutzer*innen sollten sich der Gefahr durch Starkregen bewusst sein, und bereits bei herkömmlichen Niederschlägen aufmerksam beobachten, ob sich mögliche Gefahrenstellen oder Probleme am Gebäude oder auf dem Grundstück abzeichnen. Wie fließt das Wasser? Wo steht Wasser, wo bildet sich Nässe? Was wäre, wenn zwanzig- oder hundertmal so viel Wasser kommt?
Einen ersten Schritt zur Einschätzung durch Expert*innen bietet das Angebot "Hochwasserpass" des Vereins Hochwasser-Kompetenz-Centrum. Basierend auf einer Online-Vorprüfung kann eine Vor-Ort-Beurteilung durch einen Sachverständigen eingeholt werden. Zusätzliche Informationen bieten die Starkregenhinweiskarten und Hochwassergefahrenkarten des Landesamts für Umwelt, die über den Umwelt Atlas Bayern online einsehbar sind. Dabei ist jedoch zu beachten, dass auch kleine Fließgewässer, für die möglicherweise keine Überschwemmungsgebiete kartiert sind, zur Gefahr werden können. Ebenso ist zu beachten, dass Praktiker*innen inzwischen empfehlen, auf die modellierten Hochwasserpegelstände mindestens 15% Klimawandelzuschlag zu geben. Eine absolute Sicherheit bietet aber auch das nicht. Bei extremen Starkregenereignissen, wie beispielsweise im Ahrtal 2021, in Mittelgriechenland 2023 oder in Spanien 2024, sind auch Pegelstände möglich, die zuvor im Bereich des Unvorstellbaren lagen.
Maßnahmen zur Vorsorge: Grundstück
Ein mögliches Vorsorgeprinzip lautet, das Wasser vom Gebäude fernzuhalten und auf dem Grundstück Möglichkeiten zur Versickerung und zum Rückhalt zu bieten. Dabei können konkrete bauliche Maßnahmen auf dem Grundstück zur Gefahrenverminderung beitragen. Außerdem reduzieren die Vorsorgemaßnahmen auf Privatgelände auch die Gefahr von überfluteten Unterführungen, Straßen, Kellergeschossen oder auch den Verlust von ganzen Gebäudekomplexen.
- Bodenrinnen und -mulden zum Wasserrückhalt auf dem Grundstück können wesentlich dazu beitragen, die Entstehung von Überflutungen im und außerhalb des eigenen Grundstücks zu vermeiden und eine schützende blau-grüne Infrastruktur aufzubauen.
- Intelligent bewirtschaftetes Niederschlagswasser, das auf den Dächern und auf dem Grundstück zurückgehalten, gespeichert, verdunstet und versickert wird, entlastet als Teil einer blauen Infrastruktur bei Starkregen überlaufende Straßengullys und über die Ufer tretende Bäche und Flüsse.
- Unversiegelte und versickerungsoffene Böden ermöglichen eine erhöhte Wasserrückhaltung und tragen zur Verlangsamung der Wasserfließgeschwindigkeiten bei.
Auch die grüne Infrastruktur stellt in Form von vielfältiger Vegetation am Gebäude und auf dem Grundstück einen weiteren wichtigen Baustein zur naturnahen Vorsorge dar. Einen erheblichen Beitrag leisten Großbäume. Die Pflanzen nutzen das in den intakten Böden und in den offenen Bodenmulden zurückgehaltene Wasser zum Wachstum, produzieren über die mit dem Wachsen verbundene Photosynthese Sauerstoff, binden Kohlendioxid und kühlen ihre Umgebung über die Verdunstung von überschüssigem Wasser.
Die robusten und naturnahen Lösungen der grünen und blauen Infrastrukturen ermöglichen Lebensräume für Tiere und Pflanzen in Gärten und Höfen, in den Siedlungen und Städten. Angesichts der extremer werdenden Wetterlagen und der damit einhergehenden wachsenden Stressoren gefährden monotone, einfach strukturierte und damit oft wenig Rückzugsraum bietende Freianlagen und technische Bauweisen der Wasserhaltung zunehmend die Überlebensmöglichkeiten der Fauna und Flora. Intakte Böden ermöglichen durch die Versickerung und Reinigung des Wassers bei der Bodenpassage, dass aus Regenwasser wieder sauberes Grundwasser wird. Diese Maßnahmen leisten also gleichzeitig einen Beitrag zu einem funktionierenden Wasserkreislauf.
Maßnahmen zur Vorsorge: Gebäude
Das Gebäude selbst lässt sich gegen eindringendes Wasser schützen. Rückstauklappen beispielsweise verhindern das Eindringen von Abwasser aus dem Kanalnetz bei Rückstau. Abdeckungen auf Lichtschächten, wasserdichte Kellerfenster und -türen, mobiler Hochwasserschutz für Erdgeschoßtüren oder Tiefgaragen-Abfahrten können sinnvolle Maßnahmen darstellen, um Eindringen des Wassers ins Gebäude zu vermeiden. Wichtig sind in allen Fällen die regelmäßige Instandhaltung und Wartung der Maßnahmen, aber auch des Gebäudes. Zudem ist es essenziell, dass Bewohner*innen und Nutzer*innen der Immobilie informiert sind, welche Maßnahmen im Ernstfall zu ergreifen sind und wie für die eigene Sicherheit gesorgt werden kann. In manchen Fällen sind weitere Maßnahmen sinnvoll, um Resilienz gegen Überflutungen zu erreichen: Sensible, wasserempfindliche Funktionen, wie Elektroinstallationen oder wertvolle Dinge finden z.B. ihren Platz in den Obergeschossen anstatt im Keller. In Einzelfällen kann eine eigene Pumpe, ggf. mit Notstromversorgung, sinnvoll sein.
Meiner Nachbarn Häuser...
Der Beitrag dieser Maßnahmen an einzelnen Gebäuden und Grundstücken mag zwar überschaubar erscheinen. Denkt man die Vorsorge gegen Starkregen und Sturzfluten jedoch konsequent zu Ende, wird klar, dass ein effektiver und wirkungsvoller Schutz nur gemeinsam gelingt. In Summe können die vielen Einzelentscheidungen maßgeblich zur Klimavorsorge beitragen. Angesichts der bekannten und in Teilen bereits gut einschätzbaren Risiken sollte jede*r zu einem altruistisch uminterpretierten ‚Sankt-Florian-Prinzip‘ beitragen: "Lieber Sankt Florian, hilf mir, einen Beitrag zu leisten, um mein und meiner Nachbarn Häuser zu schützen".
Fazit
Starkregen- und Hochwasservorsorge muss nicht mit aufwendigen und hochtechnischen Lösungen einhergehen. Ziel ist, auf allen Ebenen eine wachsende Resilienz und ein Verständnis für die Möglichkeiten der Vorsorge für Gebäude und Grundstücke und auch der natürlichen Zusammenhänge zu etablieren, denn "was man nicht kennt und versteht, erhält und schützt man auch nicht"!
Autoren: Andrea Bitter, Andreas Rockinger, Markus Weinig
Weiterführende Links
- Infoblatt Vorsorge und Starkrege mit weiteren Links
- Leitfaden Starkregen – Objektschutz und bauliche Vorsorge
- Hochwassergefahrenkarten und Hochwasserrisikokarten, Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU)
- Hinweiskarte Oberflächenabfluss und Sturzflut, LfU
- Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz – WHG) § 5 Allgemeine Sorgfaltspflichten
[Die Links wurden zuletzt geprüft am 20.03.2025]