12/2020 Klimaneutrale Gebäude

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"Preise müssen die ökologische Wahrheit sagen."

Ernst Ulrich von Weizsäcker, Club of Rome

 An "Klimaneutralität" kommt man seit dem Pariser Klimaabkommen nicht mehr vorbei! Die EU, Deutschland, aber auch Bayern möchten dieses Klimaschutzziel bis 2050 erreichen. Auch die Bayerische Architektenkammer fordert nicht nur in ihren aktuellen Leitlinien für eine neue Konjunkturförderung "Nachhaltigkeitsziele und CO2-Neutralität als Bedingung für Investitionsentscheidungen festzuschreiben", sondern strebt auch als Institution an, bis 2030 klimaneutral zu sein. 

Doch was genau bedeutet "Klimaneutralität"? Allgemeingültige Vorgaben oder ein abgestimmtes Vorgehen gibt es bislang nicht. Gängig ist, Klimaneutralität am Grad der Vermeidung des CO2-Ausstoßes auszurichten und unvermeidbare Reste an CO2 zu kompensieren. Alle Gebäude werden individuell betrachtet. Das ist aufwändig, aber die Ergebnisse lohnen sich. Viele Prozesse müssen gezielt auf CO2- Neutralität und Emissionsvermeidung ausgerichtet, vorausschauend geplant, geprüft, manchmal verworfen und immer diszipliniert von allen Projektbeteiligten begleitet werden. Realistische Etappenzeile sind ebenso wichtig wie gesetzliche und förderpolitische Rahmenbedingungen. Kurzum: Es sollte lieber mehr als zu wenig in Angriff genommen werden, denn unsere aktuelle Ausgangslage ist kein allzu gutes Sprungbrett, um Klimaneutralität bis 2050 tatsächlich erreichen zu können.

Bei Gebäuden heißt "Klimaneutralität" zuallererst, einen individuellen Bilanzierungsrahmen zu definieren, an dem die Klimaziele am Ende gemessen werden. Vielversprechende Ansätze für eine klimagerechte Gebäudeoptimierung bieten etwa folgende fünf Handlungsbereiche, die idealerweise getrennt bilanziert und evaluiert werden. Bezugsgrößen wie die CO2-Belastung sollten dabei einheitlich dargestellt werden. Der CO2-Verbrauch in der folgenden Übersicht bezieht sich beispielhaft auf eine Person. Die optimalen Zielwerte (Vergleichswerte) orientieren sich an Neubauten mit dem Energieträger Strom (500 g CO2/kWh) und einer Wärmepumpe.

  • Bedarfsermittlung (Suffizienz): Ein optimaler Wohnflächenverbrauch pro Person beträgt 25 m2
  • Reduktion des Wärmebedarfs bei Beheizung (Passivhausstandard): Ein optimaler Bedarf pro Person führt zu Nutzenergie von 400 kWh/Jahr, Endenergie 100 kWh/Jahr und 50 kg CO2/Jahr
  • Vermeidung sommerlicher Überhitzung durch bauliche Maßnahmen (Fensteranteil, Sonnenschutz)
  • Reduktion der Warmwasserbereitung: Der optimale Bedarf pro Person liegt bei 20 Liter/Tag mit 60°C Wassertemperatur und führt zu einer Nutzenergie von 430 kWh/ Jahr, Endenergie von 140 kWh/Jahr und 70 kg CO2/Jahr
  • Reduzierter Stromverbrauch im Zusammenhang mit der Nutzung des Gebäudes:
  • Der optimale Bedarf pro Person liegt bei einer Nutzenergie von 500 kWh/Jahr, Endenergie von 500 kWh/Jahr und 250 kg CO2/Jahr


Auch wenn alle Parameter bestmöglich optimiert sind, ist aktuell ein CO2-Ausstoß pro Person von ca. 400 kg im Jahr nicht vermeidbar. Anlass zur Hoffnung gibt, dass der CO2-Ausstoß pro Kilowattstunde Strom weiter sinken wird, weil sich z.B. die regenerativen Anteile bei der Stromerzeugung erhöhen.
Weitere Einsparpotentiale ergeben sich bei der Herstellung des Gebäudes. Ein hinsichtlich des Herstellungsaufwands optimierter Neubau, etwa ein Rohbau aus Brettsperrholzelementen, verursacht einen Gesamt-CO2-Ausstoß von ca. 250 kg CO2/m2. Der Wert für die Herstellung eines klassischen Massivbaus wäre im Vergleich dazu etwa 1,5-mal höher. Setzt man für das Gebäude – wie bisher üblich – eine Lebensdauer von 50 Jahren an, so ergibt sich beim CO2-Ausstoß eine rechnerische "Abschreibung" von 5 kg CO2/m2 pro Jahr. Der Anreiz, sich bei der Herstellung des Gebäudes von Beginn an ernsthaft um CO2-Reduktion von zu bemühen, ist also gering. Besser wäre es, den bei der Herstellung emittierten CO2-Ausstoß rechnerisch auf zehn Jahre zu reduzieren und damit einen deutlich höheren Wert von 25 kg CO2/m2 pro Jahr zu bilanzieren.

Auch wenn alle Einsparpotenziale genutzt und Ressourcen geschützt worden sind, verbleibt beim Bauen ein unvermeidbarer Rest an CO2. Wenn wir Klimaneutralität innerhalb eines Bilanzierungsprozesses ernst nehmen, müssen diese Reste kompensiert werden, z.B. durch Umweltprojekte, Zertifikate oder CO2-Abgaben. Das Umweltbundesamt schlägt als Kompensation einen CO2-Preis von 180 Euro/t vor und rechnet dabei reale Belastungen durch Klima- und Umweltschäden ein. Die geplante CO2-Steuer ab 2021 liegt mit 35 Euro/t deutlich unter dieser Kompensation. Am Ende gilt nicht nur für Produkte, sondern auch bei Gebäuden: Mit einem CO2-Preis kann das Bewusstsein für den Klimaschutz geschärft werden. Wenn zusätzlich Entscheidungen für das Gebäude bewusst getroffen und auf Unnötiges verzichtet wird, kann eine Optimierung der genannten Handlungsbereiche dazu beitragen, die Kosten und CO2-Belastungen für unsere Umwelt deutlich und nachhaltig zu senken.

Haben Sie Fragen zu diesem Thema oder zum nachhaltigen Planen und Bauen? Kontaktieren Sie die "BEN – Beratungsstelle Energieeffizienz und Nachhaltigkeit" unter www.byak-ben.de / Tel: 089 139880 80

Autor: Prof. Clemens Richarz

Weiterführende Links

Beispielhafte Bauten:
Link

Klimaneutrale Kammer 2030:
Link

Klimaneutralität bis 2050: 
Link

17 UN-Ziele zur Nachhaltigkeit (Sustainable development Goals) – Ziel 13: Maßnahmen zum Klimaschutz:
Link

Klimaneutralität München bis 2035: 
Link

Allianz for future: 
Link

 

[Die Links wurden zuletzt am 30.11.2020 geprüft]

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