Bayerische Architektenkammer
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Schloss Geltolfing, Generalinstandsetzung
Aiterhofen
Gemeinschaftshof mit Wohnungsterrassen
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Foto:
Stefan Müller-Naumann
Wohnung in ehemaliger Schlosskapelle
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Stefan Müller-Naumann
Schlossflügel von 1777 zum Ort
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Stefan Müller-Naumann
Grundriss Parterre
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Stephan Koch
Schnitte Hof und Südwestflügel
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Stephan Koch
Wohnung im ehemaligen Reitstall
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Stefan Mülller-Naumann
Erschließungsanbau
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Stefan Müller-Naumann
Wohnen orientiert zur Gemeinschaft
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Stefan Müller-Naumann
durchlässige Schichtung im ehem. Grafenzimmer
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Stefan Müller-Naumann
Schlosshof mit historischen Fenstern und neu einbezogenen Arkaden im EG
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Stefan Müller-Naumann
Das Wohnen orientiert sich zur Gemeischaft
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Stefan Müller-Naumann
historische Fenster und neu einbezogenen Arkaden im EG
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Stefan Müller-Naumann
Vorzustand: einsturzgefärdeter Ostflügel (1290/1777), verwahrlost, notgesichert
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Foto:
Stephan Koch
Vorzustand: einsturzgefärdeter Südflügel (ehemaliger Palas von 1290), notgesichert
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Foto:
Stephan Koch
Vorzustand innen: massive Verformungen aufgrund fehlender Gründung der Bauglieder von 1290 erzeugten gravierende Schäden
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Foto:
Stephan Koch
Schloss Geltolfing, Generalinstandsetzung
Generalinstandsetzung des Denkmals zu 14 Mietwohnungen. Das in großen Teilen einsturzgefährdete und notgesicherte Schloss von 1290 bzw. 1777 im Ortskern von Geltolfing wurde von privaten Bauherren mutig instandgesetzt. Mit der Instandsetzung konnte ein sehr gut angenommenes Wohnkonzept mit 14 unterschiedlichsten Mietwohnungen verwirklicht werden, die sich zur Hausgemeinschaft orientieren und sich zu dieser öffnen. Die subtilen Zutaten überlassen die Aufmerksamkeit dem Historischen.
Konstruktion, Materialität, Kosten, Freianlagen
Die einsturzgefährdeten Wände wurden mit 40 tiefen Pfählen nachgegründet, die Gebäude mit in den Gewölben verborgenen Stahlträgern verspannt. Der großteils über 400 Jahre alte Dachstuhl wurde denkmalgerecht ertüchtigt. Die alten Putzoberflächen, Bodenbeläge, Fenster, Bleiverglasungen und Türen restauratorisch gesichert und aufbereitet, Fresken teils freigelegt. Zutaten bleiben subtil und ablesbar.
Jurybeurteilung
Beim ersten Ortstermin bat der Statiker die kaufinteressierte Familie und ihren Architekten, das Gebäude sofort
wieder zu verlassen. Schloss Geltolfing war akut einsturzgefährdet. Zwar bestand eine Notsicherung des Südund
Ostflügels. Nach 15 Jahren allerdings zeigte die Stützkonstruktion selbst Ermüdungserscheinungen. Im
Schloss waren Deckenbalken verfault und unter dem Gewicht der nach dem Krieg eingezogenen Wände in die
Gewölbe der Stallungen gebrochen. Aber von der vierseitigen Weiherhausanlage mit ihren umlaufenden Arkaden
ging ein Zauber aus. Sie verdankt sich dem Ausbau einer ehemaligen Burg zum charmanten Wasserschloss für
den Generalintendanten der Hofmusik Graf Joseph Ferdinand Maria von Salern 1777 / 78. In den fein gegliederten
Korbbogenfenstern des oberen Erschließungsganges schimmerten noch die mundgeblasenen, bleigefassten
Gläser des 18. Jahrhunderts. Die bereits denkmalerfahrenen Interessenten aus der nahen Stadt Straubing
ließen sich nicht schrecken. Aber ohne die Hilfe des Entschädigungsfonds des Freistaates Bayern hätten sie das bedeutsame Bauwerk nicht retten können. Ohne Mut und ökonomische Disziplin wäre ihr ambitioniertes Projekt
gescheitert, in dem Schloss bezahlbare Wohnungen für Familien, Paare und Singles unterschiedlichen Alters
zu schaffen. Intensive Bauforschung ergab, dass die Geschichte von Schloss Geltolfing 300 Jahre zurückdatiert
werden muss: In zwei Trakten steckt der Pallas einer Wasserburg des 13. Jahrhunderts. Die eklatanten statischen
Probleme, mit denen sämtliche Burgherren im Laufe der Jahrhunderte zu kämpfen hatten, resultierten
daraus, dass das Gelände künstlich aufgeschüttet worden war und die Burgmauern kein Fundament hatten.
Erst im Zuge der aktuellen Instandsetzung konnte das alte Gemäuer mit einer Pfahlgründung auf sichere Füße
gestellt und mit Stahlträgern rückverspannt werden. Die Bauforschung half Architekt Stephan Koch, sich
an den historischen Bestand heranzutasten, die in der Nachkriegszeit zerstörten Raumfolgen des 18. Jahrhunderts
zu erkennen und daraus Möglichkeiten für einen denkmalgerechten Wohnungsumbau zu entwickeln. Zuletzt fanden sich im Staatsarchiv sogar die präzisen Baupläne aus dem Jahr 1777. Befunde wie Pläne wiesen
den Weg zu einer Raumgliederung mit offenen, von zwei Seiten gut belichteten Wohn-Ess-Bereichen. Kochs
Entscheidung, die Arkaden und den Erschließungsgang im Obergeschoss den Wohnungen zuzuschlagen, führte
dazu, dass zwei neue Treppenhäuser eingebaut werden mussten: eins im Westflügel im Bereich eines eingefallenen
Kamins, eins auf der nördlichen Außenseite der Anlage als gut proportionierter Holzanbau, der der zugehörigen
Wohnung ein großzügig lichtes Entrée verschafft. Insgesamt sind 14 individuelle Wohnungen unterschiedlicher
Größe und Anmutung entstanden, die sich alle zum Hof orientieren. Auf den Ausbau der sorgfältig
handwerklich reparierten Dachstühle aus den Jahren 1599 und 1778 wurde nicht nur aus denkmalpflegerischen
Gründen verzichtet: Große Maisonettewohnungen wären für zehn Euro den Quadratmeter im Straubinger Land
nicht zu vermieten gewesen. Jeder Wohnung, auch den oberen, ist ein Freisitz entweder im Hof oder in der Außenanlage zugeordnet. Dabei ist es Wamsler Rohloff Wirzmüller FreiRaum Architekten mit niedrigen Heckenund
Staudenpflanzungen gelungen, sowohl private Rückzugsorte wie auch ein gemeinsames Zentrum zu schaffen.
Architekt Koch freut sich jedes Mal, wenn er in die Anlage kommt, dass er mit dem Umbau gute Nachbarschaften
ermöglicht hat. Die Mieter freuen sich über die besondere Atmosphäre der handwerklich materialgerecht
wiederhergestellten Räume. Besonders gelungen ist die Restaurierung der alten Korbbogenfenster mit ihren
kleinen Schiebeflügeln und ihre Ergänzung durch einfachere Innenfenster. So flirrt das von den mundgeblasenen
Gläsern gebrochene Licht in die Wohnräume des Obergeschosses und schickt gleichzeitig zauberhafte
Lichtreflexe in den Hof. (Text: Ira Mazzoni, Jurymitglied)
Standort
Kirchweg 5
Aiterhofen
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Anerkennung
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KategorieKategorie 1: vor 1900
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OrtAiterhofen
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RegierungsbezirkNiederbayern
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TypologieWohnungsbau
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FertigstellungMai 2022
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Auszeichnungsjahr2025
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Ursprungsbaujahr1290
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Bauherrprivat
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Architektur
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Mitarbeit
- Eva-Maria Böninger
- Franziska Wießmeier
- Sophia Bohl
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ArchitekturARGE mit as plus schmöller architekten PartG mbB, PassauAndreas Schmöller
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Mitarbeit
- Tilman Ringe
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LandschaftsarchitekturWamsler Rohloff Wirzmüller FreiRaumArchitekten GbR, RegensburgRupert Wirzmüller
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Denkmal / EnsembleDenkmal
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MaßnahmeBauen im Bestand
- Erhalt/ Denkmalschutz
- Sanierung/ Umbau/ Revitalisierung
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Besondere QualitätenIn großen Teilen >700 Jahre alt. Fresken von 1777