Bayerische Architektenkammer
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Sophie-Scholl-Haus
München
Ansicht Ost
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Foto:
Rainer Taepper
Fassade
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Julia Knop
Fluchtbalkone
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Rainer Taepper
Grundriss Erdgeschoß
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bogevischs buero
Ansicht Süd-Ost
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Rainer Taepper
Ansicht Süd-Ost Bestand
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Querschnitte
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Fassadedetail
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Julia Knop
Ansicht West
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Julia Knop
Vogelperspektive Bestand
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Blick nach aussen
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Rainer Taepper
Mittelflur
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Rainer Taepper
Erschließung Obergeschoß
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Rainer Taepper
Foyer
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Rainer Taepper
Apartment
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Blick nach Außen
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Rainer Taepper
Sophie-Scholl-Haus
Das „Blaue Haus“, das in den 70er Jahren von Sepp Pogadl entworfen wurde, sieht nun nicht mehr aus wie ein typisches Zeugnis des Nachkriegsbrutalismus. Die kaum noch zu sanierenden Brüstungen wurden abgebaut, um deren Luftraum den Apartments zuzuschlagen. Die neue Fassade reicht dadurch ca. einen Meter weiter nach außen, so daß die 250 Zimmer sich deutlich vergrößern. Eine vorgehängte Konstruktion für die Fluchtwege lässt sich für die Studierenden als Austritt und als Kommunikationsfläche nutzen
Konstruktion, Materialität, Kosten, Freianlagen
Die Gitterroste, mit denen Boden und Geländer konstruiert sind, bieten optische Durchlässigkeit bei gleichzeitigem Sonnenschutz über die gesamte Fassade. Dank bodentiefer Fenster und der nur moderaten Lichtfilterung entstand in den Zimmern eine völlig neue Aura von Helligkeit.
Quadratische Fenster zum Flur verbessern die Lichtsituation auf dem Gang und schaffen Sichtkontakt zur Nachbarschaft.
Jurybeurteilung
Es geht ein vielversprechendes Leuchten vom Sophie-Scholl-Haus aus. In der ersten Reihe der Studentenstadt-
Freimann stehend, signalisiert das frische Olympiablau der neuen Fassadenelemente, dass die in den 1970er
Jahren errichteten Stahlbeton-Schottenbauten eine Zukunft haben. Abriss und Neubau wären keine ökonomisch
und ökologisch verantwortbaren Alternativen. Die Studentenstadt Freimann wurde zwischen
1961 und 1975 in vier Bauabschnitten realisiert. Auf dem 88.000 Quadratmeter großen Grundstück befinden
sich 14 Häuser mit rund 2.500 Appartements. Es ist eine der größten Siedlungen für Studierende in Deutschland.
Aufgrund gravierender Baumängel mussten in den letzten Jahren mehrere Häuser geschlossen werden —
ein Desaster für wohnungssuchende Studierende. Mit der Generalsanierung des „Blauen Hauses“, das
1974 nach Plänen des Münchner Architekten Sepp Pogadl fertiggestellt worden war, zeigt Bogevischs Büro
einmal mehr, welches Potenzial zwischen alten Betonwänden steckt: räumlich, atmosphärisch und sozial. Die maroden Balkonbrüstungen ließen die Architekten abtragen, die undichten Fassadenelemente wurden entfernt.
Auf die sorgsam sanierten Kragarme kamen neue Bodenplatten. Damit konnte die hochgedämmte, bodentief
dreifach verglaste Holzfassade um 1,30 Meter weiter nach außen gesetzt werden — ein beachtlicher Raumund
Lichtgewinn für die Appartements. Die vorgehängte Konstruktion aus verzinkten Gitterrosten dient nicht
nur als Fluchtweg, sondern ermöglicht es den Bewohnerinnen und Bewohnern auch, ins Freie zu treten und mit
den Nachbarn in Kontakt zu kommen. Gitterlaufstege und Brüstungen haben den Vorteil, dass sie den Ausblick
vom Zimmer etwa auf das Olympiagelände nicht behindern. Sie nehmen dem Zimmer kein Licht, schützen aber
vor direkter Sonneneinstrahlung. Die um circa ein Sechstel vergrößerten Wohneinheiten sind jetzt
offener und klarer zoniert. An die Stelle des zum Gang hin ausbuchtenden Duschbades gleich neben der
Wohnungstür ist die Kochnische gerückt. Diese erhielt ein quadratisches Fenster zum Flur: Es fungiert als individuelles Schaufenster und Lichtbringer für den zuvor dunklen Mittelgang. Blickkontakte, ein kurzes Nicken,
eine einladende Geste: Isolation und Anonymität gehören der Vergangenheit an. Gleichzeitig bleibt aber die
Privatsphäre geschützt. Durch die Badezimmerwand ist ein Einblick in den Schlaf-, Arbeits- und Wohnbereich
vom Flur aus nicht möglich. Zu den sozial wirksamen Neuerungen zählt auch, dass es auf jeder Etage nahe
zum Treppenhaus einen einsehbaren Gemeinschaftsraum gibt. Das Blaue Haus, das seit seiner Wiedereröffnung
nach Sophie Scholl benannt ist, empfängt die Studierenden und ihre Gäste jetzt mit einem taghellen,
zur Rückseite durchgehenden Foyer. Die olympiablaue Briefkastenanlage, Infoscreen und umlaufende Bänke
erleichtern das Ankommen. Da der Aufzug im Treppenhaus jeweils auf den Zwischenpodesten hält, somit eine
barrierefreie Erschließung der 246 Appartements nicht möglich war, entschieden sich das Studierendenwerk
und die Architekten, die Büroräume im Erdgeschoss zu zwei rollstuhlgerechten Zweizimmerwohnungen und einem größeren Eltern-Kind-Appartement umzubauen. In die Dreizimmerwohnung könnte auch ein Studierender
mit seinem persönlichen Assistenten einziehen. Damit wird ein wichtiger Schritt in Richtung Inklusion getan.
Für alle Fahrradfahrer wurde das ungenutzte, allein der Haustechnik dienende Untergeschoss so konditioniert,
dass trockene Abstellflächen entstanden, die von außen durch eine Rampe erschlossen sind. Die Jury zeigt
sich beeindruckt von der bis ins Detail gelungenen Transformation des 70er-Jahre-Béton-Brut-Bauwerks und
hofft, dass das Pilotprojekt dazu ermutigt, die baugleichen Hochhäuser der Studentenstadt jetzt entsprechend
aufzuwerten. (Text: Ira Mazzoni, Jurymitglied)
Standort
Christoph-Probst-Straße 12
München
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Anerkennung
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KategorieKategorie 3: 1945 - 1990
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OrtMünchen
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RegierungsbezirkMünchen
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TypologieWohnungsbau
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FertigstellungApril 2023
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Auszeichnungsjahr2025
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Ursprungsbaujahr1974
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BauherrStudierendenwerk München und Oberbayern AdÖR , München
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Architekturbogevischs buero architektur & stadtplanung gmbh, MünchenH.P. Ritz Ritzer , Rainer Hofmann
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Mitarbeit
- Martin Wißmann
- Ann-Kristin Schneider
- Giulia Deon
- Susanna Liedgens
- Christoph Maas (Bauleiter)
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Landschaftsarchitektur
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MaßnahmeBauen im Bestand
- Sanierung/ Umbau/ Revitalisierung