Bayerische Architektenkammer
Körperschaft des Öffentlichen Rechts
Waisenhausstr. 4
80637 München
Telefon: 089/ 139 880 – 0
Telefax: 089/ 139 880 – 55
E-Mail: info@remove-this.byak.de

Barriere? Los!
Der Podcast für barrierefreie Lösungen im digitalen Raum.
Wie können alle Menschen Informationen und Services im Internet nutzen? Mit welchen Hilfsmitteln schaffe ich einen zugänglichen Arbeitsplatz? Barriere? Los! liefert einmal im Monat Lösungen, wie Barrieren im digitalen Raum angepackt werden können.
Neue Podcast-Folge: Geht Gaming auch Barrierefrei?
Im Gespräch mit Aktivistin Melanie Eilert und Maxi Gräff von Microsoft über Barrierefreiheit beim Gaming.
Fast die Hälfte aller deutschen spielen Computerspiele. Der Markt ist riesig, auch weltweit. Inklusion und Barrierefreiheit sind dabei Themen in der Branche, die in den letzten Jahren ihren Einzug gehalten haben. Aber warum beschäftigt sich die Branche überhaupt damit?
Betrachtet man alle Behinderungsbilder sind weltweit ca. 1 Milliarde Menschen von Einschränkungen betroffen. Sehr viele Menschen profitieren also von Funktion zu Unterstützung der Barrierefreiheit. Konzerne wie Microsoft haben das erkannt und Digitale Barrierefreiheit ist auch im Gaming ein Business Case geworden, um Zielgruppen zu erweitern und alle Menschen zu erreichen. Aber natürlich profitieren auch und vor allem Betroffene davon.
Was barrierefreies Spielen also ausmacht und welche Möglichkeiten es für Menschen mit Einschränkungen gibt, darüber sprechen wir mit Gaming Aktivistin Melanie Eilert und Marketing Managerin Maxi Gräff von Microsoft
Barriere? Los! – Der Podcast
Menschen mit Behinderung stoßen im echten wie im digitalen Leben immer wieder an Grenzen. Ob im Berufsleben oder Alltag, beim Behördengang oder der Suche nach der nächsten Bushaltestelle. Mit der Verschmelzung der realen mit der digitalen Welt ist es gerade für Menschen mit Behinderung entscheidend bei diesem Prozess mitzuwirken – aktiv, gestaltend, ideenreich.
Mit unserem Podcast wollen wir Menschen mit und ohne Behinderung dazu befähigen, Barrierefreiheit mitzudenken, Entscheidungsprozesse mitzugestalten und so praktische Lösungen für alle zu finden. Eine ganz besondere Rolle spielen dabei Schwerbehindertenvertretungen. Sie sind die Ansprechpartner*innen im Unternehmen, in der Behörde oder Kommune und die treibende Schnittstelle, wenn um Lösungen zur Barrierefreiheit geht.
Wir widmen unseren Podcast also dem Abbau digitaler Barrieren. Einmal im Monat sprechen wir mit Expert*innen und Betroffenen darüber, wie Herausforderungen der digitalen Barrierefreiheit praktisch bewältigt werden können. Nicht das Problem steht im Fokus, sondern die Lösung!

11. Podcast-Folge: Was brauchen blinde Menschen im Internet?
Dr. Aleksander Pavkovic über seine Erfahrungen und Bedürfnisse als blinder Mensch im Internet.
Dr. Aleksander Pavkovic ist geburtsblind und computer-affin. Nach dem Studium der Slavistik, Geschichte und Politikwissenschaften arbeitete er als IT-Trainer für blinde und sehbehinderte Menschen in Nürnberg. Seit 2013 unterstützt er als Digital Accessibility Professional das BIT-Zentrum, die Medienabteilung des Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbundes.
In dieser Folge sprechen wir mit Aleksander Pavkovic über seine Erfahrungen im Internet, welche Hilfsmittel er nutzt und welche Bedürfnisse IT basierte Produkte wie Webseiten oder Software hat.
10. Wie testet man eine Webseite auf Barrierefreiheit?
Im Gespräch mit Sonja Weckenmann über den BITV Test von BIK.
In Deutschland gibt es kein offizielles Testverfahren und Siegel, wie beispielsweise das TÜV Siegel, das Barrierefreiheit für Webseiten kennzeichnet. Dennoch ist das Testen wichtig. Nur so bekommt man einen Bericht über den Zustand der Barrierefreiheit einer Webseite.
Aufgrund des Mangels eines offiziellen Siegels gibt es zahlreiche private Anbieter, die digitale Barrierefreiheit testen. So auch der BITV Test von BIK. Dieser ist seit vielen Jahren am Markt, er ist komplett offengelegt und wird permanent weiterentwickelt. Wie der Test aufgebaut ist und was man sonst bei der Testung von Webseiten beachten muss, erklärt uns Sonja Weckmann von der Dias.
9. Kann man digitale Barrierefreiheit einfach installieren? Im Gespräch mit Oliver Greiner und Lennart Hessler über Overlays.
Assistive Integrationen oder Overlays werden immer wieder als Ersatz für eine barrierefreie Programmierung verstanden. Dabei dienen sie vor allem dazu, Barrierefreiheitsfunktionen nutzerfreundlich sichtbar und einfach in eine Webseite einzubauen. Reichen diese Integration also, um gesetzliche Standards zu erfüllen? Darüber sprechen wir mit Oliver Greiner und Lennart Hessler von Eyeable.
Das Transkript und Links zur Folge finden Sie unter: https://barriere-los.podigee.io/9-neue-episode
8. Folge mit Detlef Girke und Ingo Lechner über die Überprüfung von Apps und Software auf Barrierefreiheit
In dieser Folge sprechen wir mit Detlef Girke und Ingo Lechner über das Testen von Software und Apps auf digitale Barrierefreiheit. Als Mitglieder des Netzwerks BIT-Inklusiv waren beide maßgeblich an der Entwicklung der BITV-Testverfahren für Software und Apps nach WCAG Standard beteiligt.
Die offen gelegten Testverfahren bieten Produzentinnen und Produzenten von Software und Apps sowie Redakteurinnen oder Redakteuren die Möglichkeit, ein besseres Verständnis für die Anforderungen der digitalen Barrierefreiheit aufzubauen. Zudem kann man sich an das BIT-Inklusiv Netzwerk wenden, wenn man sich beraten lassen will, Fortbildungen zum Thema digitale Barrierefreiheit sucht oder eine Zertifizierung anstrebt.
7. Folge mit Oliver Hengstenberg über die Entwicklung barrierefreier Apps
Der Gründer und Softwareentwickler Oliver Hengstenberg erzählt in der neuen Folge von Barriere Los, warum ein spielerischer Ansatz, Inklusion und Barrierefreiheit bei der Programmierung von Apps für ihn eine Herzensangelegenheit ist.
Mit seiner Firma Cribster engagiert sich Oliver Hengstenberg dabei bereits seit 2010 in der Medienbildung. Neben preisgekrönten pädagogischen Apps realisiert er digitale Projekte, Apps und Forschungsvorhaben für Bildungsinstitutionen. Bildung, Inklusion und Mediensouveränität sind ihn dabei besonders wichtig.
6. Folge mit Patrick Winkler von der Landeshauptstadt München
In Deutschland sind öffentliche Stellen dazu verpflichtet, sowohl die interne als auch die externe digitale Kommunikation barrierefrei zu gestalten. Die Zuständigen öffentlicher Stellen wissen aber häufig nicht, wie sie ein solches Thema anpacken können.
Wie kann man es also in einer öffentlichen Stelle schaffen, digitale Barrierefreiheit auf allen Ebenen zu planen und umzusetzen? Genau darüber sprechen wir mit Patrick Winkler von der Landeshauptstadt München. Er ist einer der Ansprechpartner, Wissensvermittler und Experte für alle Mitarbeitenden, wenn es um das Thema digitale Barrierefreiheit geht.
Transkript als Unterstützung für gehörlose Menschen
Zum Öffnen des Transkriptes hier klicken - Folge 6: Wie die Stadt München digitale Barrieren überwindet
Patrick Winkler (Teaser - Auszug aus dem Interview): Da bekommen wir relativ viel Rückmeldung und viele Kolleginnen und Kollegen schildern uns eben: „Jetzt verstehe ich, warum es wichtig ist, beispielsweise ein ganz konkretes Beispiel, wieso es wichtig ist, Alternativtext bei einem Bild zu hinterlegen, wieso es wichtig ist, Formatierungsvorlagen zu verwenden, um den Text zu strukturieren und Text zu gliedern, wenn die gesagt, oftmals ist es so, dass nicht aus Bosheit nicht barrierefrei kommuniziert wird, sondern einfach beides Wissen, warum und wie fehlt.“
Alexandra Gödecke (Sprecherin - Anmoderation mit Musikuntermalung): Barriere? Los! Der Podcast für barrierefreie Lösungen im digitalen Raum.
Dennis Bruder: Hallo und willkommen zur neuen Folge von BarriereLos, dem Podcast zur Digitalen Barrierefreiheit. Mein Name ist Dennis Bruder und ich arbeite als Berater für die Beratungsstelle digitale Barrierefreiheit in Bayern. Wir werden häufig von öffentlichen Stellen wie Gemeinden oder Kommunen gefragt, wie man das Thema digitale Barrierefreiheit denn am besten anpacken kann. Und genau dazu haben wir mit unserem heutigen Gast gesprochen: sein Name ist Patrick Winkler und er arbeitet für die Landeshauptstadt München.
Ungenannte Sprecherin (Einspieler mit Musikuntermalung): Patrick Winkler ist Experte für Accessibility und agiles Projektmanagement bei der Landeshauptstadt München. Als Fachanalyst im Team Webmanagement ist er inhaltlich und strategisch für die barrierefreie Umsetzung von interner und externer Kommunikation zuständig. Außerdem ist er direkter Ansprechpartner für Mitarbeitende der Stadt München, wenn es um Fragen zur digitalen Barrierefreiheit geht.
Dennis Bruder: Digitale Barrierefreiheit betrifft ja vor allem auch öffentliche Stellen. Warum unternimmt denn die Landeshauptstadt München so viele Anstrengungen, barrierefreie Angebote zu schaffen?
Patrick Winkler: Also: Warum wir große Anstrengungen in dem Bereich, im Bereich der Digitalen Barrierefreiheit unternehmen, darauf gibt es eigentlich eine ganz einfache, eine ganz simple Antwort… und zwar, damit unsere digitalen Angebote für alle Menschen nutzbar sind und für alle Menschen heißt: Ganz unabhängig von Einschränkungen aller Art. Also: Wir möchten, dass unsere Information in der internen Kommunikation aller Kolleginnen und Kollegen und in der externen Kommunikation aller Bürgerinnen und Bürger erreicht und von diesem eben auch genutzt werden können und die Landeshauptstadt München hat deshalb sowohl in der Digitalisierungsstrategie als auch in der IT-Strategie dem ganzen Thema der Digitalen Barrierefreiheit viel Raum gewidmet und sich da zu großen Anstrengungen verpflichtet. Daneben gibt es aber auch eine ganz konkrete rechtliche Bewandtnis, weshalb wir das Ganze machen müssen. Also: Durch die bayerische E-Governmentverordnung haben die Bürgerinnen und Bürger eben auch einen konkret rechtlichen Anspruch darauf, dass wir mit ihnen digital barrierefrei kommunizieren. Also auch wieder ein ganz konkretes Beispiel: München.de als das offizielle Stadtportal für München. Hier müssen wir eben seit letztem Jahr eine Erklärung zur Digitalen Barrierefreiheit vorhalten und im Großen und Ganzen alle Inhalte digital barrierefrei bereitstellen.
Dennis Bruder: Ja. Dann haben wir auch gleich ein Stichwort genannt und das ist die „Bayerische E-Government-Verordnung“ und was das genau ist, das erklärt uns mal unsere Werkstattmitarbeiterin Alexandra Gödeke.
Alexandra Gödecke (Einspieler mit Musikuntermalung): Die Bayerische E-Government-Verordnung, kurz BayEGovV, regelt digitale Barrierefreiheit in Bayern. In der Verordnung können sich öffentliche Stellen des Bundeslandes Bayern informieren, ob sie die Anforderungen an die digitale Barrierefreiheit erfüllen müssen. Außerdem ist dort vermerkt, was umgesetzt werden muss.
Für öffentliche Stellen des Bundes gilt die Barrierefreien-Informationstechnik-Verordnung, kurz BITV. Diese besagt unter anderem, dass öffentliche Stellen in Deutschland ihre digitale Kommunikation zugänglich gestalten müssen. Die bayerische Verordnung bezieht sich in weiten Teilen auf die bundesweite BITV-Verordnung.
Dennis Bruder: Ja, Herr Winkler, Sie haben ja gesagt, dass Sie das Thema sehr zentral aufgehangen haben innerhalb der Landeshauptstadt München. Können Sie mal ein bisschen konkreter werden: Was haben Sie da alles unternommen?
Patrick Winkler: Ja. Gerne. Also: Wir haben relativ viele Maßnahmen angepackt. Ganz wichtig noch vorab und das gilt eigentlich auch für die anderen Fragen im heutigen Podcast: In der LHM, also in der Landeshauptstadt München arbeiten ja mehr als vierzigtausend Beschäftigte und wir haben da in den einzelnen Referaten ganz viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die sich an ganz unterschiedlichen Stellen mit verschiedenen Facetten der Digitalen Barrierefreiheit beschäftigen. Ich kann heute nur für das Team gesamtstädtisches Webmanagement sprechen und wir als Team, wir sind eben die stadtweit zuständige Stelle für alle Fragen zur Digitalen Barrierefreiheit und deren inhaltliche strategische Umsetzung sowohl bei intern als auch bei extern Touchpoints nenne ich es mal. In dem Wort „Team“ steckt auch schon darin: Ich mache das nicht alleine, sondern ich spreche für unser gesamtes Team. Von dem Team als Ganzes, denn Digitale Barrierefreiheit ist bei uns Teamarbeit und wird von mehreren Kolleginnen und Kollegen im Team bearbeitet.
Also: Was haben wir konkret unternommen? Beispiel: Für das stadtweite Socialinternet, das heißt „Wilma“, also das Intranet der Stadtverwaltung: Da haben wir eine Checkliste erstellt und diese soll eben dabei helfen, wie Beiträge in der Checkliste barrierefrei erstellt werden können. Auch wieder mit dem Hintergrund, dass diese Information dann eben alle Kolleginnen und Kollegen erreichen. Das Gleiche haben wir auch für die Erstellung von barrierefreien Dokumenten gemacht, also wir haben Anleitung erstellt für barrierearme PDF-Dokumente und damit auch ein Mindeststandard definiert, der jetzt auch stadtweit verbindlich ist. Beim Stadtportal München.de da findet derzeit ein großer Relaunch statt und in dem Zuge ist auch, spielt auch Digitale Barrierefreiheit eine ganz wichtige Rolle. Also: Das neue München.de-Angebot, das wird auch nach BITV-2.0 getestet und gelabelt werden und entsprechend werden ganz viele Aspekte der Digitalen Barrierefreiheit da Berücksichtigung finden. Auch auf München.de findet sich schon jetzt ein großes Parallelangebot in Leichter Sprache. Das wird sukzessive auch immer weiter ausgebaut. Also für das Thema „Corona“ zum Beispiel: Da gibt es schon wahnsinnig viel in Leichter Sprache, das auf München.de zu finden gibt und das wurde von den Usern von München.de auch sehr gut angenommen. Ein weiteres Projekt ist der Aufbau eines Testpools innerhalb der Stadtverwaltung und dabei testen Kolleginnen und Kollegen, die eben selbst von Einschränkungen betroffen sind, neue Systeme, Webseiten, Apps oder andere Programme auf Digitale Barrierefreiheit. Also: Das ganze läuft so ein bisschen nach dem Motto: „Menschen mit Einschränkungen sind die besten Experten und Expertinnen in der eigenen Sache.“ Zudem befinden sich ein Maßnahmenkatalog sowie eine verbindliche stadtweite Richtlinie zur Digitalen Barrierefreiheit derzeit in Arbeit und als letzte Maßnahme würde ich noch beschreiben last but noch least: Wir haben dieses Jahr das erste Onlineseminar „Digitale Barrierefreiheit“ im Fortbildungsprogramm von der Landeshauptstadt München gestartet. Da handelt sich um ein Webex-Seminar. Das ist im Prinzip eine Einführung in die Basics, also die Grundlagen der Digitalen Barrierefreiheit. Das kann von allen Mitarbeitenden der Landeshauptstadt München besucht werden mit dem Angebot, das wir auch im nächsten Jahr weiterentwickeln und ergänzen wollen. Da haben wir uns den Auftrag gegeben, dass wir den Kolleginnen und Kollegen eben für die ganze Thematik sensibilisieren möchten. Also: Warum ist denn Barrierefreiheit auch im digitalen Bereich sehr wichtig? Da gibt es auch ganz viele konkrete Beispiele aus der Praxis, denn oftmals ist es so unserer Erfahrung nach: Das ist gar nicht mal so, dass aus Bosheit nicht barrierefrei kommuniziert wird oder aus böser Absicht, sondern oftmals einfach das Wissen: „Warum und wie?“ fehlt und ganz allgemein gesprochen: Bei all diesen Maßnahmen: Unser Ziel ist es, alle Angebote möglichst solide aufzustellen was Barrierefreiheit betrifft und natürlich dafür zu sorgen, dass zukünftige Entwicklungen und Beschaffungen dieses wichtige Thema einfach mitdenken und zwar von Anfang an mitdenken.
Dennis Bruder: Also: Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, ist es sehr zentral aufgehängt und geht vor allem auch viel um „Interne Kommunikation“. Was haben Sie denn dafür einen Eindruck? Wird es gut angenommen und vielleicht noch eine Anschlussfrage, wie stellen Sie da die Qualität dann auch sicher, dass das auch weiterhin befolgt wird, was Sie da somit auf den Weg geben?
Patrick Winkler: Ja. Also: Wir kriegen relativ viel Rückmeldung von den Kolleginnen und Kollegen insbesondere zum Seminar, das wir neu angeboten haben, aber auch zu der Checkliste auf die Arbeit in Wilma. Ich habe vorhin schon kurz gesagt: Wilma: Das ist das stadtweite Socialintranet, also das Intranet der Stadtverwaltung und da gibt es eben auch einen ganz klaren Fokus. Da gibt es viele Anleitungen. Wir versuchen auch, es so einfach wie möglich zu halten, damit eben allen Kollegin/einem Kollegen ermöglicht wird, barrierefrei zu kommunizieren und dabei möglichst, ohne dass sie sehr viel Aufwand haben. Da bekommen wir relativ viel Rückmeldung und viele Kolleginnen und Kollegen schildern uns eben: „Jetzt verstehe ich, warum es wichtig ist, beispielsweise ein ganz konkretes Beispiel, wieso es wichtig ist, Alternativtext bei einem Bild zu hinterlegen, wieso es wichtig ist, Formatierungsvorlagen zu verwenden, um den Text zu strukturieren und Text zu gliedern, wenn die gesagt, oftmals ist es so, dass nicht aus Bosheit nicht barrierefrei kommuniziert wird, sondern einfach beides Wissen, warum und wie fehlt.“
Dennis Bruder: Haben Sie da auch die Möglichkeit, irgendwie Feedbackschleifen einzubauen? Also quasi: Sie stehen da bei Fragen, nehme ich an, immer zur Verfügung und das ist, nehme ich auch an, Teil der Qualitätssicherung, oder?
Patrick Winkler: Genau. Also: Wir stehen als Ansprechpersonen immer zur Verfügung und wir versuchen, also wir haben bewusst Expertinnen und Experten von außen hinzuzuziehen, aber auch aus der Stadtverwaltung selbst. Also: Wir haben einige Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die auch selbst eine Einschränkung haben, selbst eine Behinderung haben und mit denen arbeiten wir eben genauso wie mit externen Partnerinnen und Partnern zusammen, um da das optimale Ergebnis zu erreichen.
Dennis Bruder: Welche Hilfen gibt es ganz konkret für Mitarbeitende im Alltag bei der Landeshauptstadt München, um mehr Barrierefreiheit zu ermöglichen?
Patrick Winkler: Also: Ganz konkret, schon angesprochen, die Checkliste und die Anleitungen also für die, für das Einstellen von Beiträgen in das Intranet, gibt es eine ganz konkrete Checkliste, wie man barrierefrei Inhalte in Wilma präsentieren kann, eben Anleitungen zur Erstellung von barrierearmen, barrierefreien PDF-Dokumenten und auch schon angesprochen wurde auch der Testpool. Hier helfen eben Mitarbeitende mit Einschränkungen aus der Landeshauptstadt München anderen Kolleginnen und Kollegen ohne Einschränkung dabei, ihr Projekt möglichst digital barrierefrei zu gestalten.
Dennis Bruder: Wie kann man sich diesen Testpool denn genau vorstellen? Also: Ist es eine Gruppe, die sich zusammensetzt oder sind das überall Leute, die bei bestimmten Projekten hinzugezogen werden?
Patrick Winkler: Also: Ganz konkret haben sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeldet, die eine Einschränkung haben. Also zum Beispiel haben sich blinde Nutzerinnen und Nutzer gemeldet, auch höreingeschränkte Nutzerinnen und Nutzer und wenn jetzt ein Programmverantwortlicher, wenn irgendein Mitarbeiter/blinde Mitarbeiterin auf uns zukommt und sagt: „Ich habe da diese Webseite oder ich habe da diese Anwendung, ich habe da diese App und ich möchte gerne mal testen, ob unser Angebot momentan für blinde Nutzerinnen und Nutzer gut erkennbar, gut ausgelesen werden kann.“ und dann würden wir in dem Fall eben Jemanden aus dem Testpool, der sich gemeldet hat und gerne an der Weiterentwicklung der Digitalen Barrierefreiheit mitarbeitet, mit diesem Programm sozusagen matchen. Also: Diese Kollegin/dieser Kollege würde dann mit dem Screen Reader die Anwendung oder die App aufrufen und da sozusagen einen Test dann durchführen und am Ende würde der Programmverantwortliche, der Programmmanager der Anwendung ein Testergebnis bekommen, wo es heißt: „OK. Da und da gibt es noch Probleme. Da waren die Informationen nicht abrufbar. Da hat es nicht geklappt. Das klappt aber schon ganz gut und aufgrund dieses Feedbacks oder aufgrund dieser Ergebnisse kann eben die Anwendung verbessert werden und damit digital barrierefrei gemacht werden.
Dennis Bruder: Jetzt ist das Thema „Digitale Barrierefreiheit“ ja eigentlich schon relativ lang bei der Landeshauptstadt München. Können Sie mal vielleicht ein paar Beispiele nennen, was auch über die Zeit vielleicht nicht so gut geklappt hat und wie Sie das auch verbessert haben.
Patrick Winkler: Also: Da gibt es zahlreiche Beispiele. Ganz klar bei Digitaler Barrierefreiheit: Da handelt es sich ja um einen stetigen Prozess, der auch quasi nie abgeschlossen sein wird. Also: Allein, weil die technische Entwicklung immer weiterläuft. Also: Wenn wir jetzt daran denken, wie Webseiten vor zehn Jahren ausgesehen haben, oder was sich im App-Bereich getan hat, das ist ja überhaupt kein Vergleich zu heute und da muss sich auch Digitale Barrierefreiheit immer wieder anpassen, weiterentwickeln und einfach auch Schritt halten, um Schritt halten zu können mit den Neuerungen im digitalen Bereich. Also, ganz konkret: Wenn wir jetzt, nehmen wir das Beispiel unseres stadtweiten Socialintranets Wilma, wenn wir daran denken, da gab es immer wieder mal Beispiele, wo bestimmte Funktionen, Funktionalitäten zunächst einfach nicht digital barrierefrei waren. Oft haben uns da Kolleginnen und Kollegen mit Einschränkungen selbst darauf angesprochen. Manchmal haben wir es auch so entdeckt und wir haben dann versucht, mit dem Hersteller des Produkts gemeinsam eine Lösung zu finden und das Ganze in der Regel dann wiederum mit den betroffenen Kolleginnen und Kollegen getestet und Wilma damit eigentlich suggestiv immer weiter barrierefrei gemacht. Das ist eben auch ganz wichtig zu sagen: Es gibt also nicht das perfekte System oder selten gibt es ein wirklich perfektes System, sondern wichtig ist eigentlich immer die Bereitschaft weiter daran zu arbeiten, diesem Zustand, den man wahrscheinlich doch nie erreicht, zumindest immer stückweit näher zu kommen.
Dennis Bruder: Gab es mal ein überraschendes Ergebnis, das Sie über die Jahre mitgenommen haben?
Patrick Winkler: Also: Was für mich überraschend war, ist, dass Digitale Barrierefreiheit eigentlich Allen nutzt. Also: Nicht nur den Kolleginnen und Kollegen oder Bürgerinnen und Bürgern mit einer Einschränkung, die sind natürlich in hohem Maße darauf angewiesen, sondern eben Allen. Also: Man könnte ja denken: Man macht diese ganzen Maßnahmen, diese ganzen Anstrengungen im Bereich der Digitalen Barrierefreiheit für die X Prozent Leute, die irgendeine Behinderung, irgendeine Einschränkung haben und meine, mein überraschendes Ergebnis war eigentlich, dass wenn man digitaler Barrierefreiheit umsetzt, dass es nicht nur dieser Gruppe mit Einschränkung, mit einer Behinderung nutzt, sondern Allen. Also: Wenn Sie beispielsweise einen Text mit Zwischenüberschriften als Formatvorlage formatieren und dann strukturieren oder wenn bei der Bildauswahl bestimmte Dinge beachtet werden oder bei Abkürzungen, dann kommt am Ende eigentlich immer ein Text dabei heraus, der für Alle besser lesbar ist oder jetzt eben ganz allgemein gesprochen, wenn Programme und Anwendungen leichter bedienbar sind, wenn man sich da Gedanken gemacht hat: Wie können die möglichst gut und einfach intuitiv bedient werden? Oder wenn der Kontrast mitgedacht wurde und so weiter wird ein Produkt eigentlich nicht schlechter, sondern immer besser. Also: Man darf auch Digitale Barrierefreiheit nicht als etwas betrachten, quasi, das ein zusätzlicher Aufwand darstellt, den man für eine ganz kleine Gruppe von Usern macht. Nein. Es ist etwas, das unverzichtbar ist für eine kleine Gruppe von Usern, aber für Alle einen großen Nutzen mit sich bringt.
Dennis Bruder: Ja, das ist auch ein Thema. Das ist auch etwas, was wir immer so weiterkommunizieren und ich meine, das kennt ja eigentlich jeder auch bei seiner eigenen Nutzung wahrscheinlich, wenn man jetzt, keine Ahnung, mit dem Handy mal draußen unterwegs ist und man hat jetzt eine super gleißende Sonneneinstrahlung, dann sieht man halt auch wenig und da sind manche Apps eine ziemliche Katastrophe, wenn eben die Kontrastverhältnisse nicht stimmen und bei manchen merkt man das einfach, dass es dann doch besser geht und wo man es wirklich auch oft merkt, das sind einfach Videos, wenn die untertitelt sind, dann kann man die auch mal ohne Ton hören, auch, wenn man in einer Bahn sitzt. Also: Das sind so mal ganz plakative Beispiele, die sich auch jeder gut vorstellen kann, dass Digitale Barrierefreiheit natürlich in erster Linie für manche Menschen halt unerlässlich ist, aber dann am Ende doch eine ganze Menge Leute dann etwas bringen.
Patrick Winkler: Absolut. Also: Uns berichten auch oft Kolleginnen und Kollegen, die zum Beispiel einen Unfall hatten und dann für eine Zeit, sagen wir mal, für zwei Wochen oder so, vielleicht den Arm oder die Arme nicht so gut benutzen können, dass sie dann überhaupt das erste Mal in die Lage kommen, dass sie sagen: Oh, also, wenn ein Produkt über die Tastatursprachsteuerung oder wie auch immer gut ansprechbar ist, dann merke ich erstmal: Das ist erstmal sehr wichtig und natürlich wird da auch ein bisschen wieder sensibilisiert, wie es in bestimmten Gruppen mit einer motorischen Einschränkung beispielsweise immerzu geht, aber viele, die dann auch sagen: Ja klar. Also: Dann merke ich dann erstmal, wie wichtig das Ganze ist.
Dennis Bruder: Ja. Dann sind wir fast schon am Ende. Ich hätte jetzt noch eine letzte Frage… und zwar ist die Landeshauptstadt München doch eine recht große öffentliche Stelle und wir kriegen von der Beratungsstelle häufig natürlich Anfragen von deutlich kleineren Gemeinden oder Kommunen oder anderen öffentlichen Stellen. Haben sie da trotzdem einen Tipp, was man, wie man das Thema überhaupt erstmal anpacken kann und bei sich aufhängen kann?
Patrick Winkler: Also: Wichtig ist meiner Erfahrung nach direkt Kolleginnen und Kollegen mit Einschränkung einzubeziehen. Also: Meistens sind einfach Menschen, die eine Einschränkung haben, schon solche Experten/Expertinnen geworden in dem Feld, wie man selbst eigentlich nur schwer werden kann. Da fällt mir auch ganz spontan das Stichwort „Co-Creation“ ein, also „„Co-Creation““ steht ja für „Kreative Kollaboration“, also gemeint ist, dass diejenigen an Entwicklungen von einem Produkt oder einem Service teilhaben, die davon betroffen sind. Also: In der Regel sind damit die Kunden gemeint, aber in dem Fall eben die Menschen mit Einschränkungen. Also: Die Menschen, die auf Digitale Barrierefreiheit wirklich in hohem Maße angewiesen sind, das sind oft die absoluten Experten auch zu dem Thema und da ist es wichtig, diese miteinzubeziehen. Jetzt ist es natürlich klar, dass vielleicht in kleineren Kommunen oder kleineren Organisationen nicht immer ein großer Pool an Menschen arbeitet mit gewissen Einschränkungen, die man auch direkt einbeziehen kann. Deswegen würde ich darüber hinaus noch sagen: Wichtig ist auch, vielleicht externe Partnerinnen und Partner miteinzubeziehen. Schlichtweg auch schon aus dem Grund, weil man dann auch nochmal den Blick von außen bekommt, der immer wertvoll ist, der immer wichtig ist und ebenfalls als wichtig erachte ich, dass das Thema zentral irgendwo aufgesetzt und besetzt wird. Also, dass das Thema auch zentral Aufmerksamkeit bekommt und Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner zur Verfügung stehen, die ja letztlich so die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder auch den Bürgerinnen und Bürgern als Ansprechperson zur Verfügung stehen. Das ist auch ganz wichtig, dass man dieses Feedback aufgreifen kann, weil nur damit oder nur dadurch kann man im Prinzip weitere Punkte angehen und sieht, wo vielleicht auch noch Baustellen sind, an denen man arbeiten kann.
Dennis Bruder: Ja. Wunderbar, Herr Winkler. Genau. Da wollte ich noch dazu kurz erwähnen: Externe Anbieter: Wir haben auf der Webseite der Beratungsstelle Barrierefreiheit ein Anbieterverzeichnis. Da gibt es in verschiedenen Rubriken ganz verschiedene Anbieter, die zum Beispiel sich mit der Erstellung barrierefreier PDFs beschäftigen oder Zertifizierungen für Webseiten machen. Alles Mögliche, falls jemand interessiert ist, also ein Hörer des Podcasts, eine Hörerin des Podcasts dann gerne einfach mal auf die Webseite der Beratungsstelle schauen. Wir verlinken das natürlich in den Shownotes.
Ja. Das war es auch schon für dieses Mal. Dann bedanke ich mich Herr Winkler bei Ihnen.
Patrick Winkler: Ja. Vielen Dank, dass ich Gast im Podcast sein durfte.
Dennis Bruder: Gerne. War super informativ. Danke. Wenn euch die Folge gefallen hat, lasst uns eine Bewertung da und folgt unserem Kanal und wenn ihr selbst Fragen zur Digitalen Barrierefreiheit habt, geht auf die Webseite der Beratungsstelle Barrierefreiheit in Bayern.
Dennis Bruder (Aboderation mit Musikuntermalung): Wenn euch die Folge gefallen hat, lasst uns eine Bewertung da und folgt unserem Kanal. Wenn ihr selbst Fragen zur Digitalen Barrierefreiheit habt, geht auf die Webseite der Beratungsstelle Barrierefreiheit in Bayern. Den Link dazu findet ihr in den Shownotes. Da findet ihr auch alles Weitere zur Folge. Der Podcast wird gefördert vom Freistaat Bayern und ist Teil von Bayern Barrierefrei. Dann bis zur nächsten Folge von Barriere-Los.
4. Folge mit Claudiu Leverenz von Munevo
Smartphones, Smart Home Gadgets oder Smart Watches... Es kann manchmal nicht smart genug sein. Aber hinter dem Wort Smart steht zumeist ein Gegenstand, der aus dem Massenmarkt kommt und eine Vielzahl eine Möglichkeiten der Nutzung bietet. Genau das kann Menschen mit Behinderung helfen.
Die Münchner Firma Munevo hat sich das zu Nutze gemacht. Aus einem Projekt während des Studiums entstand ein Produkt und schließlich ein Start-Up, das die Schnittstelle einer Smart Glass nutzt und in ein Hilfsmittel umfunktioniert. Mit der Datenbrille können Menschen mit körperlichen Einschränkungen einen Rollstuhl nur durch Kopfbewegungen bedienen und steuern.
Transkript als Unterstützung für gehörlose Menschen
Zum Öffnen des Transkriptes hier klicken - Folge 4: Wie entsteht aus einer smarten Brille ein Hilfsmittel zur Rollstuhlsteuerung?
Alexandra Gödeke (Sprecherin - Intro mit Musikuntermalung): Barriere? Los! Der Podcast für barrierefreie Lösungen im digitalen Raum.
Dennis Bruder: Hallo und herzlich willkommen zu Barriere? Los! Dem Podcast zur Digitalen Barrierefreiheit. Mein Name ist Dennis Bruder. Ich bin Berater für die Beratungsstelle Barrierefreiheit in Bayern und wir sind Teil von Bayern Barrierefrei. Und heute zu Gast ist jemand, auf den ich mich ganz besonders freue, weil wir uns auch schon eine Weile kennen. Sein Name ist Claudiu Leverenz und er arbeitet bei Munevo.
Alexandra Gödeke (Sprecherin - Einspieler mit Ton): Claudiu Leverenz ist Wirtschaftsinformatiker. Aus einem Projekt während des Studiums entstand 2018 die Firma Munevo, deren Mitbegründer er ist. Munevo befasst sich mit der Weiterentwicklung von Smart Glasses. Ziel ist es, dass Menschen mit Bewegungseinschränkungen etwa einem Rollstuhl mit Hilfe von Kopfgesten steuern können.
Dennis Bruder: So. Ich will auch gleich mal mit der Tür ins Haus fallen, weil euer Produkt doch ein bisschen erklärungsbedürftig ist. Claudiu, versuche doch mal, euer Produkt in einem Satz zu erklären.
Claudiu Leverenz: Ja, gerne. Ich versuche es. Also: Es ist nicht so einfach. Im Prinzip: Was wir entwickelt haben, ist eine neue Art von Steuerung für elektrische Rollstühle, basierend auf smarten Brillen oder Smart-Glasses und die werden dann im Prinzip genutzt von Menschen, die aufgrund von besonderen Krankheiten nicht mehr auf herkömmlicher Weise ihren Rollstuhl steuern können und jetzt eben über diese Brille den Rollstuhl steuern.
Dennis Bruder: Ja wir kennen uns ja schon eine ganze Weile. Ich habe, glaube ich, das erste Mal von eurem Projekt über eine E-Mail gehört und ich habe eine E-Mail gekriegt hier in der Stiftung Pfennigparade, dass es an der Uni ein Projekt gibt, in München, an der TU und erzähle doch ein bisschen darüber, wie es zu diesem Projekt kam und was du auch gemacht hast.
Claudiu Leverenz: Gerne. Also: Wir hatten damals die Möglichkeit, mit der Technologie, ja, etwas auszuprobieren und im Rahmen eines Entwicklungspraktikums etwas zu entwickeln im Bereich Mobilität und das war auch gemeinsam mit einem Industriepartner. Das heißt: Viele haben sich mit dem Industriepartner auch auseinandergesetzt, aber unsere Betreuer und Professoren haben von Anfang an gesagt: „Hey. Seid kreativ. Denkt euch etwas Cooles aus damit.“ und damals gab es die Brille von Google selbst. Also: Die Google-Glas und bei uns im Team gab es jemanden, der sein Zivildienst in einem Heim gemacht hat, wo ganz viele Rollstuhlfahrer waren. Also: Ähnlich wie die Pfennigparade im Prinzip dann und so sind wir auf die Idee gekommen, die damals wirklich nur eine Idee war. Also: Wir hatten uns nicht ausmalen können, was wir so viel, ja, machen können damit wie heute eigentlich jetzt schon möglich ist. Dennis Bruder: Ja, spannend und dann ist daraus ja im Prinzip eure Firma entstanden.
Claudiu Leverenz: Genau.
Dennis Bruder: Wie ging dann dieser Schritt am Ende?
Claudiu Leverenz: Es war überhaupt schwierig, an einen Rollstuhl zu kommen. Das heißt: Wir haben mit der Pfennigparade gesprochen mit vielen Sanitätshäusern, Herstellern und wir haben dann viele eben angerufen und denen am Telefon gesagt, was wir eigentlich machen wollen und niemand hat uns wirklich geglaubt und wir mussten dann wirklich vor Ort sein und dann die Brille zeigen und zeigen, wie wir uns das Ganze vorstellen und je mehr wir dann mit den Leuten halt in Kontakt getreten sind, desto mehr Feedback haben wir bekommen und am Ende des Praktikums haben wir es wirklich nur geschafft, dass der Rollstuhl sich drehen konnte, aber durch das Feedback, was wir bekommen haben von den Menschen, auch von den Rollstuhlfahrern, mit denen wir zusammengearbeitet haben, desto mehr wurde uns klar: Hey, da ist eigentlich etwas, wo wir Menschen helfen können, und das müssen wir auf jeden Fall weiter vorantreiben. Dann hat es sehr viel Unterstützung von der TU München gegeben. Es gab quasi einen Gründungsberater, der uns zur Seite gestanden war und uns bei der ganzen Gründungsgeschichte auch geholfen hat, aber ich würde sagen: Aufgrund des … Aufgrund der Menschen, mit denen wir dann zusammengearbeitet haben, und das Feedback, das hat uns wirklich so den Push gegeben, dass wir eine Firma daraus gegründet haben. Dennis Bruder: Und ihr habt es ja jetzt relativ weit gebracht damit, würde ich sagen. Ihr habt ja gerade letztens im Fernsehen, sogar bei Höhle der Löwen …
Claudiu Leverenz: Lacht. Genau.
Dennis Bruder: … ich habe die Sendung gesehen. Es war auch spannend. Wie kam das?
Claudiu Leverenz: Also: Wir wurden schon mal angeschrieben, ob wir mitmachen wollen, und damals hatten wir gedacht: „So. Nee. Das macht nicht so viel Sinn für uns, weil wir schon wirklich eine Medizintechnologie haben mit Medizinprodukten und vielen komplexen Dingen auch und da hatten wir uns am Anfang gedacht: „Nee, es macht nicht so viel Sinn.“ Und dann haben wir aber von anderen Startups eben gehört, die dann doch mitgemacht haben, auch wenn es nicht so richtig die Investoren waren, die für sie infrage kommen. Einfach, um „Awareness“ zu schaffen, also „Bekanntheit“ zu erfüllen und da haben wir uns beim zweiten eben entschieden, uns zu bewerben und wurden dann auch ausgewählt und haben eigentlich so echt ein sehr, sehr gutes Feedback erhalten, auch, wenn es am Ende nicht zu einem Deal gekommen ist. Was wir auch eigentlich auch nicht vorhatten damit, sondern für uns war es nur wichtig, dass wir das … Ich glaube, über zwei Millionen Menschen haben da wirklich zugeschaut und es sind halt so viele Menschen danach wirklich auf uns zugekommen, die das gesehen haben, auch Rollstuhlfahrer, die das dann wirklich auch schon ausgetestet haben und wo wir jetzt in den Prozessen stehen mit der Erstattung mit den Krankenkassen.
Dennis Bruder: Ja, spannend. Ihr habt auch noch eine gute Neuigkeit. Ich habe letztens gesehen, dass ihr den zweiten Platz beim Bayerischen Digitalpreis gemacht habt für Digitale Teilhabe und Teilhabe kann ich mir auch so erklären, dass ihr ja, also quasi ein Produkt habt, das über die reine Rollstuhlsteuerung hinausgeht, nämlich: Jetzt kommt dann der Switch hinüber zum Produkt selber. Ihr habt ja eine smarte Brille und eine smarte Brille bietet ja ganz viele Chancen. Erkläre doch mal, warum ihr euch dann eben für eine smarte Brille auch entschieden habt.
Claudiu Leverenz: Ein super wichtiger Punkt. Also: Die smarte Brille kommt eben bereits mit verschiedenen Funktionen integriert: • Die Brille hat bereits ein Kameramodul. • Das hat ein Display, • das hat ein Mikrofon, • das hat einen Bluetooth für einen WLAN-Chip integriert und all das nutzen wir dann, um den Menschen einfach mehr Teilhabe zu ermöglichen und es funktioniert dann über unsere eigene entwickelte Software, worüber man die bestimmten Dinge über verschiedene Gesten steuern kann. Diese Gesten, die man nutzt, die kann man auch selbst kalivieren. Das heißt: Man muss nicht ja irgendwen um Hilfe bitten, sondern man macht das alles selber und diese Unabhängigkeit und Teilhabe durch diese Funktionen ist das, was unsere Lösung, glaube ich, auch so wichtig macht am Ende des Tages. Dennis Bruder: Wie funktioniert das mit den Schnittstellen? Weil: Man ist ja immer angewiesen auf Schnittstellen. Sind das offene Schnittstellen zu … Ich nehme an, ihr programmiert in Alexa oder in Google Home hinein oder? Wie funktionieren diese Schnittstellen genau?
Claudiu Leverenz: Genau so, indem die Schnittstellen, die wir eben haben, ist einmal die WLAN-Schnittstelle und die Bluetooth-Schnittstelle und man verbindet die Brille nachdem zu Google Home, zu Google Alexa. Am meisten Verbreiteten gibt es so ein HUB, wo man sich wiederum per Bluetooth einfach oder per WLAN einschaltet und dann müssen wir eben auch gezielt programmieren: Welche Signale werden für welche, ja, Ausgänge dann quasi genutzt? Also: Wenn man jetzt zum Beispiel im Smart-Home-Bereich ist, müssen wir dann wissen: OK. Mit welchem Signal schalten wir das Licht ein und aus? Da hilft uns aber wiederum die Brille dabei, weil wir da auch ein komplettes Menü auch einblenden können, dass man navigieren kann, wie wirklich auf einem Handy mit den Händen, bloß man macht es bei der Brille mit dem Kopf, mit den Kopfbewegungen.
Dennis Bruder: Ihr habt ja ein Produkt, das vor allem auf Bewegungseinschränkungen zielt. Habt ihr euch damals in der Entwicklung, also auch an der Uni das quasi alles ausgedacht, wer eure Zielgruppe ist oder seid ihr da …? Also, du hast du gesagt, du warst ja in der Pfennigparade damals. Wie funktioniert das so als Entwickler, wenn man da herangeht und erstmal vielleicht niemanden gar nicht so richtig kennt mit der Art Behinderung, dass man sich da hineinversetzen kann?
Claudiu Leverenz: Super schwierig. Also: Ich glaube, am Anfang hatten wir einfach auch wiederum das große Glück, dass wir relativ früh auch einfach hinausgegangen sind und uns mit den Menschen unterhalten haben. Ganz viel eben auch hier in der Pfennigparade, mit verschiedensten Menschen mit verschiedenen Krankheiten und so weiter, aber es ist immer noch bis heute halt super schwierig sich in die Situation hineinzuversetzen. Deswegen haben wir das, glaube ich, bis heute und machen wir auch noch das heute noch so, dass wir uns wirklich konstant austauschen. Also: Immer wieder auch mit unseren eigentlichen Nutzern jetzt, aber auch mit jemandem, der das eben noch nicht nutzt und uns einfach fragen: • Wie er oder sie das sieht? • Welche Informationen für einen wichtig sind? • Welche Schnittstellen wichtig sind? • Welche, ja Module waren genutzt? Du hast Alexa genannt. Du hast Google Home genannt. Es gibt aber noch zig andere verschiedene Sachen, worauf man achten muss und da versuchen wir im ständigen Austausch zu bleiben.
Dennis Bruder: Habt ihr, also, weil das ist im Prinzip ja anknüpfend, daran euch auch, also, hast du von Digitaler Barrierefreiheit mal gehört? Das ist ja ein sehr verwandtes Thema für uns wie ja auch in dem Podcast, weil wir ja selber eine Beratungsstelle für Digitale Barrierefreiheit sind und dann gab es ja schon Standards. Ich weiß nicht, ob du die WCAG kennst? Diese Standards.
Claudiu Leverenz: Genau.
Dennis Bruder: Ist das in eure Entwicklung schon hineingelaufen?
Claudiu Leverenz: Zum Teil schon ja auf jeden Fall. Also: Wir hatten uns manchmal auch gar nicht damit ausgekannt und ich würde sagen: Das alles ist ein bisschen bei uns historisch gewachsen. Also: Je mehr wir uns mit unseren Themen beschäftigen, desto mehr haben wir verschiedene, ja, eben Aspekte mitbekommen und versuchen sie immer wieder bei uns einzubauen. Ich muss gestehen: Auch unsere Webseite muss natürlich noch viel mehr verbessert werden und ich habe da schon gewisse Lösungskonzepte. Also: An der Umsetzung fehlt es jetzt aktuell noch, weil wir halt auf der Lösungsseite auch noch viel weiter und viel mehr entwickeln wollen, aber wir lernen immer wieder neu dazu. Es gibt immer wieder super spannende Ansätze. Ich habe auch letztens bei einer Konferenz in den USA mitgemacht, wo es auch super viele Neuigkeiten gab auch zum Teil: Was ist ein smarter Rollstuhl überhaupt und wie kann man ihn kategorisieren? Da gab es ein schönes Framework, das wir uns auch mit anschauen werden. Und wie gesagt: Wir lernen ständig mit dazu.
Dennis Bruder: Ja. Es ist interessant. Wir sind ja hier. In dem Podcast wollen wir auch so ein bisschen Aufklärungsarbeit leisten und ich hatte folgendes WCAG-Thema angesprochen. Das ist ein eben quasi international entwickelter Standard und was das genau ist, das erklärt uns unsere Werkstattmitarbeiterin Alexandra Gödeke jetzt mal kurz.
Alex Gödeke (Einspieler mit Musikuntermalung): „Web Content Accessiblility Guidelines“, kurz WCAG , bedeutet „Richtlinien für barrierefreie Webinhalte.“ Die WCAG sind ein internationaler Standard, der regelt, wie Webseiten barrierefrei zu gestalten sind. So wird gesichert, dass Menschen mit verschiedenen Einschränkungsarten, wie beispielsweise einer motorischen Einschränkung, auf digitale Medien zugreifen können. In der EU gelten die Richtlinien der WCAG für alle öffentlichen Internetangebote. . Dennis Bruder: Ja. Du hast jetzt gerade davon gesprochen, dass du in den USA viel unterwegs bist und, ja, wahrscheinlich eben mit ganz spannenden Firmen du auch in Kontakt bist. Was glaubst denn du, wo die Reise hingeht? Also: Man kann das ganze Thema ja weit spinnen. Das geht nicht nur um Mensch mit Behinderung, sondern um Verschmelzung von Mensch und Technik. Hast du irgendetwas spannendes Neues entdeckt oder was schätzt du auch wo es hingeht?
Claudiu Leverenz: Also: Es gibt super viele Entwicklungen aktuell. Wir selbst, um vielleicht gleich nochmal kurz über Munevo zu sprechen: Wir schauen aktuell uns auch Entwicklungen im Bereich von Abpumpbewegungen, aber auch wirkliche Gehirnwellenmessungen, Human-Brain-Computer Interfaces. Also: Was uns super interessiert, wo wir auch schon mit kleineren Prototypen entwickelt haben, und das auch super spannend ist.
Dennis Bruder: Da habe ich letztens auch eine Firma entdeckt nämlich, die eine Computerbedienung über Gehirnstrom haben und das fand ich auch, also, durch die ist mir da nochmal total so ein Licht aufgegangen, was es bedeuten könnte für Menschen mit Behinderung …
Claudiu Leverenz: Genau
Dennis Bruder: … Weil: Da kannst du ja, noch viel mehr abgreifen, als ihr da könnt. Da kannst du ja Menschen mit einem Locked- In Syndrom in eine Kommunikation zurückholen oder du kannst Leute, die super eingeschränkt sind, auf einmal zum Rollstuhl bewegen bringen. Also ganz spannend
Claudiu Leverenz: Genau und in diese Richtung wollen wir uns auf jeden Fall hinbewegen und das sind auch die Technologien, die meistens auch mehr oder weniger halt in Prototypen starten und da noch weiter weiterhin geforscht werden, aber wir wollen da von Anfang an mit dabei sein und ich denke, dass die Reise eben schon, wie du schon richtig gesagt hast, dass es zu dieser Verschmelzung kommen wird. Wo man wirklich mit Technologie gemeinsam an Sachen arbeitet oder einfach Dinge dadurch verbessert und ich würde mir erhoffen oder wünschen, dass wir mit unserer Arbeit alle Menschen auch wirklich mit inkludieren und auch wirklich teilhaben lassen, uns wirklich so zu geben, weil: Meistens werden oder öfter werden halt Menschen mit Behinderung leider nicht mit inkludiert in solchen Entwicklungen und deshalb ist es, glaube ich, sehr wichtig, dass wir da auch weiterhin Fahne oben halten und damit in großen Schritten vorangehen. Zum Thema USA: Es gibt super viele spannende Entwicklungen, aber ich finde: Man muss sich hier in Europa gar nicht so verstecken. Also: wir sind mindestens, glaube ich, auch im gleichen Level unterwegs und was ich noch ziemlich spannend fand, war das Thema autonomes Fahren und ich meine: Das Ganze findet man schon in Autos und der logische Schritt wäre natürlich auch schon, dass man das auch in Rollstühle einbaut, aber da gab es ja eben ein spannendes Konzept, was eben unsere Meinung teilt, dass man nicht komplett autonom sein möchte, weil man immer noch diese Selbstbestimmtheit braucht, als jemand, der selbstbestimmt seine Mobilität quasi in die Hand nehmen möchte und wir glauben da eher, dass man so in die Richtung Semi-Autonomität oder autonomes Fahren gehen will und trotzdem, weil man noch selber bestimmen will: „Hey, ich möchte das oder das machen.“ und vielleicht früher oder später wird es komplett autonom sein, aber ich glaube: Es wird noch so einen kleinen Schritt geben.
Dennis Bruder: Spannend. Ich wurde auch mal an der Universität angefragt. Innerhalb eines Projektes, wo es um autonomes Fahren ging: Was denn meine Anforderungen daran wären. Bei mir war es eigentlich so, dass ich mir dachte: „Ich hätte gern …“ Also: Vielleicht, um es in dem Podcast kurz zu erklären: Ich sitze auch in einem Elektrorollstuhl. Ich benutze ein ähnliches System wie von Munevo und steuere eben auch den Rollstuhl nur mit dem Kopf und kann meine Arme nicht bewegen und für mich war eben schon die Voraussetzung: Wenn es das mal gibt, ist Stufe fünf voll autonome Fahren, dass ich dann in einem Fahrzeug fahren kann, fühle mich selbstständig, dass ich mich selbstständig verankern kann und dann dem Fahrzeug sagen kann: „Fahre mich in die Innenstadt und von dort ich aussteigen kann.“ Wenn man an den Punkt mal gekommen ist, ist halt für mich persönlich eine riesen Freiheit gewonnen. Das war so mein Grundgedanke. Der Witz war dann da. Also: Wenn man das natürlich bis ins Letzte durchdenkt, was das alles für Schritte sind, die bis dahin geleistet werden müssen, auch mit der Fixierung von einem Rollstuhl im Fahrzeug hin. Also: Da bin ich mal gespannt, wann der Tag kommen wird.
Claudiu Leverenz: Ja. Spannend.
Dennis Bruder: Jetzt noch mal ganz konkret zum Abschluss eigentlich: Was sind die Next Steps in eurer Firma so? Worauf kann man sich freuen? Gibt es irgendetwas, was du, was demnächst kommt, was ihr in der Pipeline habt?
Claudiu Leverenz: Definitiv. Jetzt aktuell haben wir gerade die zweite Version releast und die ersten bekommen, auch schon die zweite Version ausgeliefert. In der zweiten Version gibt es einfach so spannende Verbesserung, vor allem halt in der Integration zum Computer, Apple iPhone, Macbook und solche Sachen haben wir damit mit eingebaut jetzt, die besser funktionieren. Die wir erweitern auch noch weiterhin die Integration zu den ganzen Umfeldsteuerungen wie Smartphone. Da haben wir zwei Systeme bereits entwickelt. Wollen da eben noch mehr und weiter integrieren mit verschiedenen Systemen. Wir haben jetzt auch aktuell ein Prototypstadium, aber eben eine kleine Sprachsteuerung eingebaut. Vor allen Dingen, wenn man in der Umfeldsteuerung irgendwie zwanzig Module hat und man dann nicht zwanzig Mal quasi irgendwie den Kopf bewegen möchte, dass man einfach nur per Sprache schnell auswählen möchte. Das kommt auch bald und wir hoffen, dass wir jetzt bald auch in der … wir forschen gerade mit verschiedenen Universitäten an der Verbesserung der Roboterarmintegration. Also, dass du mit dem Roboterarm trinken kannst, essen kannst. Da versuchen wir ein Machine-Learning auch wirklich einzusetzen, um den Roboterarm so gewisse Menschlichkeit zu geben und schnellere Aufgaben durchzuführen. Das hat gerade gestartet. Wir haben jetzt noch … sind noch bei der Analyse oder Planungsphase und dann geht es eben in die Inplementierungsphase und dann schauen wir mal, wie sehr man das wirklich hinbekommt, aber das … ich könnte, glaube ich, noch an ein paar andere Sachen nennen. Also: Es sind super viele.
Dennis Bruder (lacht): du musst auch nicht alle Betriebsgeheimnisse verraten.
Claudiu Leverenz (lacht): Alles gut.
Dennis Bruder: Ja. Es war super spannend. Es hat mich total gefreut, dass wir das gemacht haben und da sieht man mal, dass es von so einer kleinen Uni-Idee solche Früchte trägt, um nicht nur den Rollstuhl steuern zu können, sondern man denkt dann immer weiter und merkt wozu ein solches Produkt, wie Smart Glass oder wie überhaupt das ganze Integration, was/wo überall noch hingehen kann, wenn man Technik und Mensch verschmilzt. Also.
Claudiu Leverenz: Genau.
Dennis Bruder: Danke Claudiu, dass du uns davon erzählt hast.
Claudiu Leverenz: Danke dir.
Dennis Bruder: Und ich freue mich auch schon, dann auch von euch zu sehen und zu hören.
Claudiu Leverenz: Sehr gerne. Sehr gerne. Vielen Dank.
Dennis Bruder (Abmoderation mit Musikuntermalung): Das war es auch schon wieder von Barriere? Los! – dem Podcast zur digitalen Barrierefreiheit. Wenn Sie Fragen zur digitalen Barrierefreiheit haben, können Sie unsere kostenlose Erstberatung nutzen. Den Kontakt finden Sie auf der Webseite der Beratungsstelle Barrierefreiheit. Wir verlinken das natürlich in den Shownotes. Mit diesem Podcast sind wir Teil von Bayern Barrierefreiheit, ein Projekt das vom Ministerium für Familie, Arbeit und Soziales gefördert wird. Wenn Ihnen der Podcast gefallen hat, würden wir uns über eine Bewertung freuen. Bis zum nächsten Mal bei Barriere? Los!
Shownotes
Anmerkung: Die Richtlinien der WCAG beschreiben nicht nur Webseiten sondern Internetangebote im allgemeinen. Darunter fallen auch nicht-webbasierte Anwendungen wie Dokumente sowie Software. In Europa dienen diese Richtlinie als Grundlage für die europäische Norm EN 301549. Wer die Anforderungen zur digitalen Barrierefreiheit umsetzen muss, ist in Deutschland in der BITV 2.0 bzw. zusätzlich im jeweiligen Landesgesetz festgelegt (in Bayern in der BayEGovV).
Links zu Episode vier: Claudiu Leverenz arbeitet bei Munevo: www.munevo.com
Link zur kostenlosen Erstberatung der Beratungsstelle Barrierefreiheit: www.byak.de/planen-und-bauen/beratungsstelle-barrierefreiheit/digital-barrierefrei/kostenlose-erstberatung.html
Referenz zur Seite der W3, auf der die Richtlinien der WCAG stehen: www.w3.org/WAI/standards-guidelines/wcag/ Allgemeine Links zum Podasct:
Der Postcast wird erstellt von der Beratungsstelle Barrierefreiheit: www.byak.de/digital-barrierefrei. Die Beratungsstelle wird gefördert von Bayern Barrierefrei: www.barrierefrei.bayern.de
Dennis Bruder ist Fachkraft im Test.Labor Barrierefreiheit der Werkstatt der Stiftung Pfennigaparade: www.pfennigparade.de
Die Anmeldung zu dem gleichnamigen Barriere Los Newsletter finden Sie unter: www.byak.de/planen-und-bauen/beratungsstelle-barrierefreiheit/digital-barrierefrei/newsletter.html
Abonnieren Sie auch unseren Podcast unter barriere-los.podigee.io Unseren Podcast finden Sie auf allen gängigen Podcast-Plattformen.
Folgen Sie uns auf Amazon, Spotify und Apple Podcast
3. Folge mit Andreas Schwersenz
Menschen mit Behinderung haben nach wie vor Probleme reguläre Beschäftigungsverhältnisse zu finden. Das ist kein Gefühl, sondern Fakt. In Studien wurde ermittelt, dass nur etwa 50% der Menschen mit Behinderung im allgemeinen Arbeitsmarkt integriert sind.
Was bedeutet es also als Mensch mit Behinderung zu arbeiten? Welche Probleme gibt es, aber auch vor allem, welche Lösungen und Chancen...? Darüber reden wir mit Andreas Schwersenz, der für eine Designagentur in München arbeitet und selbst eine Körperbehinderung hat.
Transkript als Unterstützung für gehörlose Menschen
Zum Öffnen des Transkriptes hier klicken - Folge 3: Wie ist es als behinderter Mensch im ersten Arbeitsmarkt zu arbeiten?
Sprecherin Alexandra Gödeke (Intro mit Musikuntermalung): Barriere? Los! Der Podcast für barrierefreie Lösungen im digitalen Raum.
Dennis Bruder: Hallo und willkommen zur 3. Folge von Barriere Los, dem Podcast für barrierefreie Lösungen im digitalen Raum. Da wir diesen Podcast auch dafür nutzen wollen, mehr Bewusstsein für Integration und Inklusion im Arbeitsleben zu schaffen, machen wir heute mal einen kleinen Schwenk weg vom reinen Fokus auf Digitalisierung und wollen beleuchten, was der Arbeitsalltag für Menschen mit Behinderung bedeutet und genauer, die Integration in den 1. Arbeitsmarkt. Warum aber betone ich das? Viele Menschen mit Behinderung haben nach wie vor Probleme, reguläre Beschäftigungsverhältnisse zu finden und das ist nicht etwa ein Gefühl, sondern Fakt. Zahlreiche Studien belegen genau das. Nur etwa 30% der Menschen mit Behinderung sind im Arbeitsmarkt integriert. Was es also bedeutet, als Mensch mit Behinderung im 1. Arbeitsmarkt zu arbeiten, welche Probleme es gibt und vor allem auch welche Lösungen und Chancen, genau darüber wollen wir mit unserem heutigen Gast reden. Mein Name ist Dennis Bruder und zu Gast ist heute Andreas Schwersenz, der für eine Designagentur in München arbeitet nämlich „Designit“.
Sprecherin Alexandra Gödeke (Einspieler mit Musikuntermalung): Andreas Schwersenz ist Softwareentwickler. Nach seinem Studium der Informatik arbeitete er im Agenturumfeld und war Mitbegründer eines Agenturnetzwerkes für Kommunikation. Seit 2018 ist er für die internationale Designagentur Designit tätig. Aufgrund einer spinalen Muskelatrophie ist Andreas auf einen Rollstuhl angewiesen.
Dennis Bruder: Zunächst mal will ich mit einer persönlichen Anekdote anfangen, und zwar habe ich in deinem Lebenslauf gelesen, dass du mal für eine Firma gearbeitet hast, die eine Art technisches Hilfsmittel für Menschen mit Behinderung hergestellt hat, ohne dies wirklich zu beabsichtigen oder in den Fokus zu nehmen. Die Firma heißt nämlich „Bragi“ und bis vor kurzem war sie ein Münchner Start-Up, ja, dass sie eine bestimmte Hardware produziert hat … und zwar kleine Ohrenstöpselkopfhörer, die eine ganz besondere Art der Bedienung hatten. Nämlich: Die haben über Kopfgesten, also über Kopfbewegungen funktioniert. Die Zielgruppe war aber eigentlich eine ganz andere. Die war eher im sportiven Bereich angesiedelt und ich habe mir nämlich persönlich die Ohrstöpsel damals gekauft, um Musik, ohne meine Hände zu bewegen, eben zu starten, zu stoppen oder überspringen zu können. Das Unternehmen gibt es jetzt in der Form nicht mehr und das Produkt … Hattet ihr damals als Firma auch in Verbindung mit dir, weil du ja selbst auch eine Behinderung hast, Menschen mit Behinderung als Zielgruppe im Kopf?
Andreas Schwersenz: Also der Hauptfokus war damals definitiv „Nutzer ohne Behinderung“. Also: Es war als Sportprodukt gedacht vor allem, im gewissen Bereich auch als Geschäftsalltag konnte man es auch einsetzen. Es ist sonst mehr so im Laufe der Entwicklung irgendwann aufgefallen, dass es ja auch für Menschen mit Behinderung eigentlich total praktisch ist, weil es eben eine Steuerung ermöglicht, rein mit Kopfgesten was ja, wenn man z. B. seine Arme oder seine Hände nicht mehr so gut benutzen kann, total praktisch gewesen wäre, aber das war mehr so ein Nebeneffekt eigentlich in der Entwicklung tatsächlich.
Dennis Bruder: Und habt ihr da auch Feedback von Menschen mit Behinderung gekriegt, dass sie das benutzt haben?
Andreas Schwersenz: Tatsächlich ja. Wir haben das tatsächlich von Leuten gehört, die das benutzen, die sich das eben gekauft haben, weil sie es eben aufgrund ihrer Behinderung eben diese Einschränkung haben, dass sie oft Geräte nicht verwenden können aber mit diesen Kopfgesten sie eben Sachen machen können, die sie vorher nicht steuern konnten.
Dennis Bruder: Ja, das war irgendwie genau der Grund, warum ich mir es gekauft hatte. Fand ich eine ganz witzige Anekdote weil es wieder mal so ein Produkt ist, dass es aus einem ganz anderen Bereich kam, aber dann trotzdem so einen Mehrwert geboten hat und da gibt es ein paar Entwicklungen in der Richtung, die quasi fast als eine Art Abfallprodukt dann trotzdem in den Bereich, fast schon der Hilfsmittel landen könnten. Genau. Jetzt entSchwenk mal zu dir persönlich und zwar zu deinem Werdegang. Du bist ja jetzt ganz normal im 1. Arbeitsmarkt angestellt, eben für eine Designagentur und hast du dir vielleicht noch aufgrund deiner Behinderung extra einen Job oder ein Studium ausgesucht, wo du wusstest eben, dass du so gut arbeiten kannst? Also eben im Bereich Computer, IT. Kannst du ein bisschen deinen Werdegang schildern?
Andreas Schwersenz: Ja. Das war definitiv schon ein Argument dafür. Es war jetzt nicht so, dass das das einzige Argument dafür war. Ich habe da schon auch natürlich Interesse daran und mir macht mein Job auch Spaß.
Dennis Bruder: Hattest du in deinen Bewerbungen oder auch bei den Firmen, in denen du gearbeitet hast, irgendwelche speziellen Probleme aufgrund deiner Behinderung?
Andreas Schwersenz: Naja, ich meine, natürlich ist es ein Faktor immer mal, das reinkommt. Es ist sozusagen schon mal so, dass, wenn ich irgendwo nicht richtig reinkomme, dann kann ich kaum arbeiten. Das ist natürlich so ein Thema, das bei den Bewerbungen schon immer eine Rolle spielt, was ich natürlich irgendwie erst immer wieder abklopfe. Was in München meistens geht, was aber natürlich schon insbesondere bei kleineren Firmen manchmal natürlich Problem ist, weil schon irgendwie 3 kleine Stufen vorm Eingang reichen und ich komme nicht hinein. Das ist natürlich schon irgendwie so ein Thema, was, was mich manchmal einschränkt. Naja, ich meine, man weiß es ja gar nicht so genau. Ich meine natürlich habe ich irgendwo mal Absagen bekommen wegen meiner Behinderung. Das erfährt man ja so richtig, ob das eben meine Behinderung war oder ob ich einfach halt nicht gepasst habe auf die Rolle. Beides weiß man halt ja irgendwie am Ende vom Tag nicht so ganz genau, aber letztlich ja. Ich meine, also ich habe es bis jetzt eigentlich immer geschafft, irgendeinen Job zu finden.
Dennis Bruder: Also im Endeffekt hattest du, sagst du, jetzt keine grundlegenden Schwierigkeiten, vielleicht mal ja am ehesten Schwierigkeiten bei der Zugänglichkeit. Da kann ich auch ein bisschen eine Anekdote von mir erzählen. Ich habe mal für eine kleine Rucksackfirma in München gearbeitet mit dem schönen Namen „EVOC“, die machen hauptsächlich im Sportbereich, also Mountainbike und Snow Rucksäcke und die haben echt ein schönes Gebäude eigentlich in Giesing, altes Druckereigebäude und ja, da wollten wir auch eine Zugänglichkeit schaffen mit einer Rampe am Eingang, weil die 5 Stufen hatten und das muss man auch dazu wissen als möglicher Arbeitgeber, dass es auch Fördermöglichkeiten bei so etwas gibt. Also: Man kann sich Umbaumaßnahmen, sei es eine Toilette oder sei es eine Rampe, fördern lassen vom Integrations- bzw. es geht dann über die Arbeitsagentur und wird dann vom Integrationsamt angeschaut mit einem technischen Unterstützungsdienst und theoretisch hatten wir alles durch und dann hat sich aber der Vermieter geweigert, dort eine Rampe anbringen zu lassen. Also leider kann es auch an solchen Dingen scheitern, auch wenn alle offiziellen Wegen begangen wusste und alle Finanzierungen geklärt waren, aber trotzdem sollte man diesen Weg mal versuchen zu beschreiten. Was ja auch immer mal kommt, ist quasi das Argument, dass Menschen mit Behinderung so schwierig zu kündigen sind.
Andreas Schwersenz: Ich glaube im praktischen Alltag ist das gar nicht so schlimm, weil zum einen …. Ja natürlich wird man die wieder los. Ich meine, in diesem Kündigungsschutz ist es schon ein stückweit …. Natürlich gibt es ja da irgendwie so besondere Vorschriften, aber praktisch ist es doch so: Wenn mir eine Firma kündigt, dann bestehe ich doch nicht darauf, dass ich da bleiben will und das andere ist ja irgendwie so ein bisschen: Die meisten Behinderten können sich doch eigentlich ganz gut selber organisieren, die brauchen dann ja eigentlich gar …. Also: Wenn irgendetwas beim Arbeitsplatz nicht funktioniert, dann kriegt man dann ja meistens doch ganz gut hin, dass man dann auch das für sich selber organisieren und dann braucht er gar nicht so viel Unterstützung vom Arbeitgeber, habe ich so das Gefühl.
Dennis Bruder: Ich habe auch immer die Erfahrung gehabt, dass also, wenn Leute mit einer Hands On Mentalität herangehen, dann ist es auch eigentlich kein Problem. Dann kriegt man ganz Vieles gelöst. Also wie gesagt. Dieser eine Arbeitgeber, den ich hatte, da habe mich meine Kollegen … Also ich meine, das ist auch total nett von denen gewesen, das hätten sie nicht machen müssen, aber sie haben es einfach gemacht, die haben mich da hochgetragen jeden Tag. Das haben sie halt dann zu zweit oder zu dritt gemacht, aber es hat funktioniert und ich habe aber trotzdem eben immer einen Fahrdienst gehabt und ganz viel andere Unterstützungen. Eben mit einer Arbeitsassistenz, die mich jeden Tag für mehrere Stunden begleitet hat. Also: Man findet meistens einen guten Mittelweg.
Andreas Schwersenz: Ich glaube, so ein bisschen Selbstbewusstsein kann da nicht schaden. Man muss halt so ein bisschen raus aus dieser Dankbarkeit dafür, dass man beschäftigt wird und das ist mehr als eine … Ich meine, naja, sozusagen als eine Selbstverständlichkeit sehen, dass man eigentlich beschäftigt wird, weißt. Also: Mir fällt das immer wieder so ….keine Ahnung, es ist vielleicht auch nur ein deutsches Thema, aber wo es mir das so extrem aufgefallen ist, ist: Ich war vor ein paar Jahren mal in Disney World in Florida in den USA und da ist es offensichtlich vollkommen selbstverständlich, dass da Leute mit Behinderung arbeiten und es ist halt überhaupt kein … Also, was weiß ich … Da war halt so einer am Eingang, wo die Eintrittskarte kontrolliert wird. Naja, diese stand halt am Eingang mit ihrem Elektrorollstuhl mit einem Beatmungsgerät und hat dann halt Eintrittskarten kontrolliert. Das hat halt irgendwie niemanden gejuckt.
Dennis Bruder: Hast du schon mal … Also: Du bist ja weitestgehend selbstständig, würde ich sagen. Du hast eben einen Rollstuhl, aber ansonsten kommst du ja im Alltag gut klar. Hast du trotzdem schon mal irgendwelche Unterstützungsmöglichkeiten oder Fördermöglichkeiten gebraucht oder wahrgenommen?
Andreas Schwersenz: Ja. Also: Jetzt gerade bei der Designit war es so: Wir sind eben vor ungefähr 3 Jahren umgezogen in ein neues Büro und der ursprüngliche Plan war, dass ich in dieses neue Büro über eine Rampe in die Tiefgarage hineingehe, wo es dann einen Aufzug gibt. Das hat sich aber dann herausgestellt, dass das im Alltag nicht ganz so praktisch ist, weil diese Rampe in die Tiefgarage relativ steil ist und deswegen haben wir dann im Eingangsbereich so einen Treppenlifter installiert. Eben genau über diese Fördermöglichkeit, die du gerade erwähnt hast… am Eingang gibt bei uns, so 10 Stufen sind das vielleicht, die Treppe ist dann aber breit genug, dass man eben einen Treppenlifter hinbauen kann und genau den haben wir dann eingebaut über diese Fördermöglichkeiten wurde er dann auch bezahlt. Bei uns hat es eben glücklicherweise funktioniert, weil der Vermieter dem Ganzen dann auch zugestimmt hat. Der war damit einverstanden, dass dieser … dieser Lifter eingebaut wird und ja, das war eigentlich ganz cool, weil es vom Aufwand her überschaubar war.
Dennis Bruder: Das Tolle für eine Firma wie „Designit“ ist ja auch, die machen das ja zwar für dich, aber die werden ja dann trotzdem in Zukunft einfach diesen Anbau schon haben und dann auch bei zukünftigen Bewerbungsprozessen dann immer quasi gleich diese Grundlage haben, auch Menschen mit Behinderung anstellen zu können. Also, das ist es häufig eine Investition, die dann nicht nur für einen Menschen ist, sondern die dann vielen helfen kann.
Andreas Schwersenz: Ich glaube, vielleicht ganz kurz: Ich glaube, dass es bei uns nämlich tatsächlich auch der Fall, wo wir sind. Wir sind ja im Bürogebäude, indem mehrere Firmen darin sind. Also, es sind ja nicht nur wir darin, sondern es sind ja insgesamt 4 oder 5 Firmen in diesem Bürogebäude und ich glaube, es ist für den Vermieter dann tatsächlich auch interessant gewesen, weil es hat ja das ganze Bürogebäude insgesamt aufwertet, weil es eben nicht nur für uns, etwas ist, was wir benutzen können, sondern das etwas ist, was jedem im ganzen Gebäude eigentlich zugutekommt.
Dennis Bruder: Jetzt gibt es auch noch weitere Fördermöglichkeiten, außer nur Anbauten. Da erzähle ich noch ein bisschen etwas zu und zwar hatte ich eine Förderung für den Arbeitgeber vom Integrationsamt war damals auch und war wurde da ein Teil des Gehalts übernommen. Also: Das muss man auch immer wissen, dass, wenn man quasi, durch eine verminderte Leistungsfähigkeit kann der Arbeitgeber eine Unterstützung zumindest einmal für das erste Arbeitsjahr beantragen und dort wird auch mal eben getestet, ob man überhaupt in dem Job auch gut arbeiten kann und der Arbeitgeber trägt nicht so ein ganz hohes Risiko rein finanzieller Natur. Also: Das ist sicher etwas, was man als Arbeitgeber in Betracht ziehen kann, eben Menschen mit Behinderung anzustellen, und diese Finanzierung ein bisschen abzupuffern und als Mensch mit Behinderung gibt es auch Möglichkeiten, Hilfsmittel zu organisieren über eine Förderung oder auch einen Fahrdienst.
Jetzt ist es ganz häufig so, dass Menschen mit Behinderung in Werkstätten auch arbeiten und auch da gibt es Möglichkeiten, Übertritt in den 1. Arbeitsmarkt besser zu schaffen und da gibt es 2 Instrumente. Das ist einmal das Budget für Arbeit und einmal Büwa und was das genau ist, erklärt uns unsere Werkstattmitarbeiterin Alex Gödeke.
Sprecherin Alexandra Gödeke (Einspieler mit Musikuntermalung): Das Budget für Arbeit soll Menschen mit Behinderung eine Beschäftigung auf dem Allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen. Voraussetzung dafür ist ein anerkannter Werkstattbedarf. Das Budget beinhaltet einen Lohnkostenzuschuss an den Arbeitgeber von bis zu 75%, um mögliche Minderleistungen auszugleichen. In Bayern gibt es außerdem die Maßnahme „BÜWA“. Also: Begleiteter Übergang von der Werkstatt auf den Allgemeinen Arbeitsmarkt. Hier kooperieren das jeweils zuständige Sozialministerium, das Integrationsamt und die Werkstätte miteinander und unterstützen den werkstattbeschäftigten Menschen beim Übertritt in ein herkömmliches Arbeitsverhältnis. Beide Instrumente sollen ein Anreiz für Arbeitgeber sein, Menschen mit Behinderungen anzustellen.
Dennis Bruder: Ja. Das sind jetzt mal 2 Instrumente, die Arbeitgeber nutzen, können, um Menschen mit Behinderung, die vielleicht auch bislang in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung gearbeitet haben, in den 1. Arbeitsmarkt zu integrieren und in Deutschland gibt es ja auch eine Quote für Firmen, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen und aus meiner Sicht ist es eigentlich ein tolles Instrument, um auch einen Mehwert in Firmen zu schaffen und auch Inklusion zu schaffen, wenn ich Menschen mit Behinderung anzustellen, ohne gleich selbst in ein finanzielles Risiko zu gehen und vielleicht auch insgesamt nicht genau zu wissen, ob man so etwas intern überhaupt stemmen kann. Jetzt nochmal zu dir, Andreas. Du bist ja in deinem Job relativ normal integriert, aber der Arbeitsmarkt heute verlangt ja auch neue eine ganze Menge Flexibilität, wie z. B. das Thema Reisen oder Meetings.
Andreas Schwersenz: Naja. Da muss ich natürlich sagen, dass sich durch Corona für mich persönlich relativ viel verbessert hat, weil natürlich jetzt die meisten Geschäftsreisen ja doch weggefallen sind und Meetings digital stattfinden, was für mich natürlich einen gewissen Vorteil bringt, weil Meetings digital durchzuführen, z. B. auch Workshops digital durchzuführen, natürlich praktisch ist, weil ich einfach ja eben nicht vorm Whiteboard stehen oder ich muss nicht an der Wand stehen, und irgendwie Post Its irgendwo hin kleben. Ich kann das jetzt alles digital machen und das levelt natürlich so ein bisschen meine Behinderung in dem Fall ein Stück weit aus. Grundsätzlich ist es natürlich so: Geschäftsreisen habe ich eigentlich, ehrlich gesagt wenige gemacht. Es erfordert natürlich irgendwie ein bisschen einen größeren Planungsaufwand von meiner Seite aus, wobei das natürlich so ein Thema ist. Das ist sehr individuell bei jedem. Also: Ich glaube, es gibt auch genug… Menschen mit Behinderung fahren ja auch in Urlaub, also insofern sind da auch Geschäftsreisen kein großes Problem, und Meetings. Ja klar. Ich meine, ich habe natürlich auch Meetings. Na ja: Man ist natürlich schon immer so ein bisschen, wie soll ich sagen, der rosa Elefant im Raum oder wie man es auch immer es formulieren will. Also, man fällt natürlich ja schon immer so ein bisschen auf. Das fällt natürlich durch Corona jetzt weg, weil das alles digitale Onlinemeetings sind. Mei! Das macht es eigentlich… für mich gibt es eigentlich keinen Unterschied mehr gegenüber sogzusagen meinen nichtbehinderten Kollegen in Meetings.
Dennis Bruder: Ja klar. Das ist auch so ein gewisser Seiteneffekt, dass man gar nicht mehr so auffällt, wenn man eine Behinderung hat. Ja, wir haben auf jeden Fall mitgekriegt und mitgenommen, dass eigentlich auch mit einer Behinderung das Meiste möglich ist und auch für Arbeitgeber Vieles möglich ist, wenn man so ein bisschen schaut, wo man sich Unterstützung holen kann und wie man das Ganze umsetzen kann.
Dennis Bruder (Abmoderation mit Musikuntermalung): Das war es auch schon für heute und danke vielmals Andreas für das Gespräch Wenn ihr auch weiterhin nichts verpassen wollt, abonniert uns in unserem Kanal oder Newsletter. Beides findet ihr auf der Webseite der Beratungsstelle „Bayern Barrierefreiheit“. Das und weitere Links zu den Unterstützungsmöglichkeiten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer verlinken wir in Shownotes und dann freue ich mich schon auf die nächste Folge von Barriere-Los.
Shownotes
Der Postcast wird erstellt von der Beratungsstelle Barrierefreiheit.
Die Beratungsstelle wird gefördert von Bayern Barrierefrei: https://www.barrierefrei.bayern.de
Dennis Bruder ist Fachkraft im Test.Labor Barrierefreiheit der Werkstatt der Stiftung Pfennigparade: www.pfennigparade.de
Die Anmeldung zu dem gleichnamigen Barriere Los Newsletter finden Sie unter: https://www.byak.de/planen-und-bauen/beratungsstelle-barrierefreiheit/digital-barrierefrei/newsletter.html
Abonnieren Sie auch unseren Podcast unter https://barriere-los.podigee.io/
Links aus Folge 3:
Andreas Schwersenz arbeitet bei Designit: https://www.designit.com/
Anmerkung: im Podcast wird von 30 % der Menschen mit Behinderung im ersten Arbeitsmarkt gesprochen. Neuere Zahlen gehen von 50% aus. Auswirkungen durch Corona sind noch nicht endgültig statistisch erfasst, man geht aber von einer steigenden Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderung aus:
Daten zu Menschen mit Schwerbehinderung im ersten Arbeitsmarkt:
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/05/PD20_N026_23.html
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Zahl-der-Woche/2021/PD21_20_p002.html
Auswirkungen durch Corona: https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/corona-behinderte-arbeitsmarkt-ausbildung-100.html
Fördermöglichkeiten für Arbeitgeber:
Informationen zu BÜWA: https://www.stmas.bayern.de/arbeitswelt/werkstaetten/index.php#sec6
Informationen zum Budget für Arbeit: https://www.bezirk-oberbayern.de/Soziales/Erwachsene-mit-Behinderungen/Budget-f%C3%BCr-Arbeit
Beratung und Unterstützung bei der Arbeitsagentur: https://www.arbeitsagentur.de/menschen-mit-behinderungen
2. Folge mit Michael Hartmann
Digitale Barrierefreiheit ist nicht nur etwas, das öffentliche Stellen und Behörden umsetzen müssen. Sie ist vielmehr eine Entwicklung, die seit vielen Jahren, vor allem durch große Technologiekonzerne vorangetrieben wird. Diese Unternehmen sehen Barrierefreiheit zum einen als gesellschaftliche Verantwortung, die Inklusion schafft. Andererseits sehen sie digitale Barrierefreiheit aber als Business Case, der Zielgruppen erweitert und Nutzererlebnisse verbessert.
Zu diesem Thema haben wir Michael Hartmann im Gespräch, der als User-Experience Architekt für Microsoft arbeitet und dort als einer der Ersten den Inclusive-Design Ansatz von Microsoft in Projekten eingesetzt hat. Er erklärt uns, wie Microsoft diese Firmenkultur etabliert hat und welche Vorteile für das Unternehmen entstehen.
Transkript als Unterstützung für gehörlose Menschen
Zum Öffnen des Transkriptes hier klicken - Folge 2: Warum sich digitale Barrierefreiheit von Microsoft lohnt.
Sprecherin (Alexandra Gödeke): Barriere-Los: Der Podcast für barrierefreie Lösungen im digitalen Raum.
Dennis Bruder: Hallo und herzlich willkommen zur zweiten Folge von Barriere-Los, dem Podcast zur „Digitalen Barrierefreiheit“. In unserer zweiten Folge wollen wir euch zeigen, dass Barrierefreiheit nicht nur etwas ist, das durch Gesetzgebungen festgelegt ist und von Behörden und von öffentlichen Stellen umgesetzt werden muss. Nein. „Digitale Barrierefreiheit“ ist viel mehr: Sie ist ein Businesscase für private Unternehmen und das wiederum schafft Zweierlei. Zum einen natürlich Zugänglichkeit für alle und damit eine Erweiterung der Zielgruppe für Produkte, Dienstleistungen und Kommunikationsmittel. Zum zweiten macht Accessibility aber Produkte auch besser und zwar für alle von uns und um das zu erklären, haben wir jemanden eingeladen, der von allen der größte Konzern der Welt genau das entwickelt. Sein Name ist Michael Hartmann und er arbeitet für Microsoft.
Sprecherin (Alexandra Gödeke): Michael Hartmann arbeitet seit mehr als 15 Jahren im Bereich „User Experience Design“. Vor 7 Jahren wurde er früh Teil des Teams bei Microsoft, das den Inclusive-Design-Ansatz von Microsoft in Projekten eingesetzt hat. Als User-Experience-Architekt gestaltet er heute Anwendungen und digitale Lösungen für Arbeitsabläufe in Unternehmen. Damit hilft er Kunden, bessere digitale Erlebnisse für Menschen mit dauerhaften, situativen oder vorübergehenden Einschränkungen zu schaffen.
Dennis Bruder: Hallo Michael. Wir haben uns ja auf das „Du“ geeinigt. Jetzt beginne ich gleich mit meiner ersten Frage und zwar ein bisschen fast einer provokanten Frage. Warum beschäftigt sich ein Unternehmen wie Microsoft überhaupt mit „Digitaler Barrierefreiheit“?
Michael Hartmann: Erstmal noch vielen Dank für die Einladung zu dem Podcast hier. Wann beschäftigt sich Microsoft damit? Es ist für uns mittlerweile ein sehr wichtiges Thema geworden, dieser ganze Themakomplex „Digitale Barrierefreiheit“, weil wir gemerkt haben, dass Technologie nicht, wie man es vielleicht in den vergangenen Jahren, vielleicht über einem Jahrzehnt annimmt, nur alles besser macht, sondern weil Technologie auch ihre Grenzen geschafft hat und auch Schwierigkeiten beschafft hat. Nicht jede Software und jedes digitale Erlebnis ist so gestaltet, dass es für alle Menschen zugänglich und gut nutzbar ist und wir haben gemerkt, dass darin auch Möglichkeiten bestehen, sich von anderen Wettbewerbern eben abzusetzen, indem man Lösungen baut, die besser sind, die einfacher nutzbar sind und vor allem eben einem großen Nutzerkreis zugänglich sind. Wenn man sich die Statistiken anguckt, ist eben ein 1/5 der Menschen oder hat 1/5 der Menschen eine Form der Behinderung und damit würden wir ja, wenn wir diese große Zielgruppe nicht betrachten würden, uns schon einen ganz großen Nutzerkreis eben vorenthalten und das sind eben die beiden großen Aspekte. Zum einen eben, dass der Nutzerkreis vergrößert ist, aber eben auch, weil wir gemerkt haben, Technologie ist nicht immer besser geworden oder die Interaktion mit Technologie ist nicht besser geworden und wir müssen sie besser machen.
Dennis Bruder: Ja, bei Microsoft hat sich das Ganze ja regelrecht zur Firmenkultur auch entwickelt. Du hast mir mal erzählt, dass da inzwischen ein, ich glaube, ich habe mir es notiert, „Chief-Accessibility-Officer“ gibt, der also ziemlich hoch angesiedelt ist bei Microsoft und sich sogar Vetorecht bei Veröffentlichungen haben. Ist es richtig?
Michael Hartmann: Also, man kann es verkürzt natürlich so sagen. Wir haben mit Jenny Lay-Flurrie mittlerweile eine sehr bekannte „Chief-Accessibility-Officer“. Sie hat selber auch eine Behinderung und spricht natürlich auch mit vielen Produktgruppen und ist involviert, wenn eben Produkte weiterentwickelt werden. Nicht nur sie, sondern das ganze Team ist dann involviert, wenn wir Produkte weiterentwickeln und schaut natürlich darauf, dass wir Produkte barrierefrei machen. Das ist nicht nur im Sinne der Inklusion, sondern wir haben natürlich auch Standards, an denen wir uns richten, natürlich „Web-Content-Access-Guidelines“, aber auch intern haben wir gewisse Richtlinien, wo wir sagen: „Diese Fähigkeiten müssen mind. oder diese technischen Funktionen müssen mind. barrierefrei sein, damit eine Software in die Veröffentlichung geht.“ Also, das ist nicht so, dass da die Person an sich schon immer sagt: „OK. Nein oder ja.“, sondern es ist ein ganzes System und das ist letztendlich das Wichtige. Wir können das natürlich jetzt schön nach außen hin demonstrieren, dass wir sogar in einer Person mittlerweile in unserer Unternehmensstruktur verankert haben das Thema, aber damit alleine würde dem Thema natürlich nicht gerecht werden, Es ist diese Person, natürlich auch nur dank des Nachaußentragens des gesamten Systems, was dahinter dann steht und das eben das möglich macht, dass am Ende auch nur eine Person da ist, die das Ganze mitorganisiert.
Dennis Bruder: Kommen wir mal zu dir. Wie bist du denn eigentlich zum Thema „Accessibility“ gekommen?
Michael Hartmann: Es war ein ungewöhnlicher Weg, denn ich hätte eigentlich mit dem Studium der Wirtschaftsinformatik begonnen und da wäre ja eigentlich so die Zielrichtung, dass man IT-Berater ist, wo es mehr um den Schnitt, um die Schnittmenge zwischen IT und Wirtschaft oder Geschäftslogik geht, hat ja dann aber relativ früh einen Schwerpunkt, wo es auch um Design, Multimediadesign, mobile Anwendungen ging und im Rahmen meines Austauschstudiums in den USA an der University of Colorado in Boulder hatte ich eine Vorlesung, wo es bewusst um „Wie können eine Software für Menschen gut gestalten?“. An einem Tag hatten wir eine Besucherin, die blind war und die uns gezeigt hat, wie sie das Internet bedient und im Jahr 2001 war es schon für die Meisten, die jetzt da in dem Kurs waren, schon sehr ungewöhnlich, weil die Meisten hatten zwei, drei Jahre lang überhaupt das Internet erstmals genutzt und dann schon jemanden zu sehen, der das mit einem Screenreader benutzt und auch in welcher Geschwindigkeit dann benutzt, war für uns schon sehr erstaunlich und da ist eben bei mir der Funke so übergesprungen, dass Technologie nicht nur Geschäftsprozesse löst, sondern auch für die Menschen Probleme löst und ab da war für mich letztendlich klar, dass ich nicht nur, sage ich mal, die Schnittmenge zwischen IT und Wirtschaft später machen möchte, sondern mehr so die Schnittstelle zwischen Mensch und IT und habe dann in der Folge auch immer wieder eben dieses Thema weiterentwickelt, sodass ich jetzt eben bei Microsoft auch mehr mit dem Thema zu tun habe.
Dennis Bruder: Du bist jetzt in deinem Job u. a. für „Inclusive Design“ zuständig. Das Ganze ist angelehnt an „Universal Design“ und was das genau ist, erklärt uns jetzt unsere Werkstattmitarbeiterin Alex Goedeke.
Sprecherin (Alexandra Gödeke): „Universal Design“ bezeichnet ein internationales Designkonzept für technische Geräte und Programme. Der Schwerpunkt ihrer Gestaltung besteht darin, diese Systeme für die meisten Menschen ohne weitere Anpassungen bedienbar zu machen. Für Menschen, denen es trotzdem nicht möglich ist, wird auf Kompatibilität mit zusätzlichen Hilfsmitteln geachtet.
Dennis Bruder: Ja, erkläre uns doch vielleicht nochmal in deinen Worten, was genau „Inclusive Design“ für Microsoft bedeutet.
Michael Hartmann: Genau. Also: Wir haben vor knapp 5, 6 Jahren bei Microsoft-Intern uns damit beschäftigt: „Wie können wir Digitale Erlebnisse, also jetzt nicht letztendlich nur eine Anwendung an sich, sondern das gesamte Digitale Erlebnis, wie können wir das so gestalten, dass es am Ende besser nutzbar ist?“, weil die Forschung meinte, es ist nicht nur eine einzelne Person, sondern es ist meistens das System und dazu gehört ein Prozess. Wie kann man so einen Prozess so gestalten? Da haben wir uns intern … Es gab intern ein Team, das hat sich mit ein paar Universitäten zusammengetan, das war unter der Federführung von Kat Holmes, und die haben sich angeguckt, wie sind in der Vergangenheit Produkte so entstanden, dass sie weniger Barrieren schaffen und haben wir da ein paar gute Beispiele. In Amerika gibt es z. B. die Firma „Oxo“, die Haushaltsgeräte oder Küchengeräte macht, die für Menschen z. B. mit Arthritis sehr viel leichter nutzbar sind und wir haben uns angeguckt: Was haben die Menschen oder der Prozess darum, was war da so anders, dass es am Ende zu diesem guten Produkt oder zu diesem besseren Produkt wurde? Für uns sind dann 3 Prinzipien herausgekommen und ein leicht angepasster Ansatz zum „Standard-User-Centered-Design-Thinking-Ansatz“ oder „Design-Thinking-Ansatz“. Also, nicht jetzt eine neue Erfindung, sondern mehr so eine Anpassung und wir haben dann eben unsere „Inclusive-Design-Methode“ genannt, mit der wir versuchen, die Wahrscheinlichkeit einer wirklich gut bedienbaren und auch für viele Menschen nutzbaren Anwendung oder digitales Erlebnis besser zu gestalten. Das sichert es nicht, aber die Wahrscheinlichkeit, dass es deutlich bessere Ergebnisse gibt, kann ich jetzt auch im Rückblick auf die letzten 5 Jahre sagen, ist deutlich besser weil es eben nicht mehr an einer dieser Wahnsinn kreativen Person hängt oder an dem Designer, der vielleicht in seiner Familie einen Menschen mit Behinderung hat. Das ist oft ja dann der Fall, dass die dann einfach auch noch mal bessere Ideen haben sondern wir haben das bewusst versucht, so zu gestalten diesen Prozess, dass wir, wenn Menschen, nicht persönliche Erfahrungen irgendwo schon gemacht haben, trotzdem gewisse Schritte, gewisse Aktivitäten machen, damit sie sich dieses Wissen aneignen und so haben wir es sehr gut geschafft, auch schon einige Produkte bei Microsoft deutlich besser zu gestalten. Eines, das schon auch relativ gut bekannt ist bei den Menschen, die spielen, aber eben auch mit Behinderung spielen, dass sie einen Xbox Adaptive Controller verwenden können und an den sogar noch andere zusätzliche Erweiterungen angeschlossen werden können.
Dennis Bruder: Ja, spannend. Dann kommen wir ein bisschen noch zu einem anderen Thema. Ihr beratet ja auch Kunden zum Thema „Accessibility“. Was kannst du denn sagen: Was für eine Art von Kunden habt ihr und wo unterstützt ihr sie?
Michael Hartmann: Also: Ich bin ja angesiedelt bei „Microsoft-Consulting-Services“, d. h. wir haben eher die großen Kunden. Wir sehen halt in den letzten 2, 3 Jahren, dass wir nicht nur wegen der Technologie angefragt werden, sondern im Rahmen der Digitalen Transformation, die viele Firmen machen, werden wir auch zu anderen Themen angefragt und dieses ganze Thema Kulturttransformation ist sowieso im Rahmen der Transformation immer ein wichtiges Thema schon gewesen. Das geht bei so Themen los wie „Mobiler Arbeitsplatz“ oder „Shared-Desk-Policy“ hat sich aber dann dahingehend über noch weiterentwickelt oder ist noch ergänzt worden. Das ganze Thema der Diversity und Inclusion und da wir als Microsoft, und da bin ich heute sehr stolz, natürlich auf uns, weil wir von in den Fortune 500 wir auf Platz 1 der Topfirmen gelandet sind, zu unseren Aktivitäten zu der Diversity und Inclusion vom Fortune-Magazin. Die Firmen sind da auf uns aufmerksam geworden, weil wir da sehr stark offen mit umgehen mit dem Thema und fragen uns dann: „Ja Microsoft, was macht ihr jetzt da in dem ganzen Bereich? Wie habt ihr euch dahin entwickelt? Was sind konkret die Maßnahmen, die ihr gemacht habt?“ und das ganze Thema Kulturtransformation, die bei uns immer einhergeht mit dem ganzen Digitalen Transformation“ ist schon eine gewisse Reise, auf die man sich begeben muss und das sind auf einmal verschiedene Bereiche, die man dann erklärt. Das Eine ist halt: Diese Transformation vom Designprozess, wenn Kunden selber Software entwickeln, selber Anwendungen für sich intern und auch für deren Endkunden entwickeln, die auch z. B. im Team aufgestellt werden kann, aber eben auch wie das gesamte Unternehmen auf dieser ganzen Reise mitgezogen werden bis zum eben auch Topmanagement. Wie man ein Topmanagement eben auch dieses Thema für sich eben auch entdecken und auch genug unterstützen kann und wie eben diese ganze Firmenstruktur davon profitieren kann, wenn eben dieses Wissen breit geteilt ist. Denn, was wir schon gemerkt haben und wir haben genauso die ähnliche Reise gemacht, ist, dass es nicht so hilfreich ist, wenn ein paar wenige Leute das Thema kennen und wenn da irgendwo eine Diskussion vielleicht über einen Feature ist, dann die Personen sagen: „Ja, das ist sehr wichtig“ und andere Mitarbeiter vielleicht sogar der Product-Owner, dieses Wissen nicht hat und nicht auf dieser kulturveränderten Reise mit war und dann kommt es zu Diskussionen, die eben dann nicht wirklich helfen. Wenn eben jeder das Grundverständnis hat, warum „Digitale Barrierefreiheit“ wichtig ist, da sind viele Diskussionen leichter, dann sind Budgetverteilungen leichter. Es heißt nicht, dass sie dann nicht trotz Diskussionen da sind, weil letztendlich wird es immer Diskussionen geben, welches Feature wird entwickelt oder das eine Feature noch Barrierefreiheit entwickelt, aber das Verständnis für das Thema ist deutlich breiter gefächert da und es entstehen dadurch auch wieder neue Ideen, neue Ansätze, wie das ganze Thema besser vorangetrieben werden kann.
Dennis Bruder: Ja, damit hast du eigentlich schon meine nächste Frage mehr oder weniger beantwortet. Nämlich: Ob du einfach einen Tipp hast. Ich nehme an, dein Tipp wäre, einfach eine Kommunikation im Haus durchzusetzen.
Michael Hartmann: Also: Es ist ein ganzes Programm letztendlich dann aufzubauen. Also: Die Wichtigkeit sollte man einfach nicht unterschätzen. Dass man … Es gibt für viele andere Bereiche immer Firmenprogramme und genauso sollte man eben das Thema „Digitale Barrierefreiheit“, „Inklusion“ genauso. Man hat es vielleicht noch so vor 3, 4 Jahren in Erinnerung, wo es mal darum ging, dass Menschen, die im autistischen Spektrum sind, richtig gut sind für IT-Tests und dann sogar das Hiring-Programm, also das Bewerberprogramm bei vielen Firmen umgestellt wurde, dass man bewusst auch nach Menschen mit Behinderungen sucht, die eben gewisse Spezialfähigkeiten dann entwickelt haben. Das ging ein bisschen auch mal durch die Presse und dafür … Es gab immer schon oder das Meiste was in Firmen ja gemacht wird, wird immer in Form von Programmen irgendwie gebaut und genauso sollte ebenso ein digitales Barrierefreiheitsthema nicht einfach nur irgendwo mal hier eine kleine Initiative sein oder hier mal irgendwie ein Link zu einem Training, sondern programmatisch mit einem Team unterstützt werden, mit einer Road-App, wo man sagt: „OK. Wie kann man nach und nach das Wissen aufbauen?“ Wir hatten jetzt vor kurzem einen internen Learning, der bei Microsoft, der wirklich den ganzen Tag … da ging es nur um das Thema „Barriere – Digitale Barrierefreiheit und Inklusion“ und so etwas kann man natürlich auch nur dann machen, wenn schon gewisses Vorwissen da ist. Also: Man muss gewisse Schritte dann halt nach und nach planen. Nicht, dass man am Anfang Menschen mit Zuvielem überfordert und sie dann auch vielleicht das Ganze nicht aufnehmen können und es halt nicht fruchtet. Also: Es ist eigentlich der wichtigste Tipp, das Ganze als größere Initiative, als Programm zu sehen und es wirklich langfristig zu planen. Es ist nichts, was man innerhalb von einer Woche abgehakt hat und fertig, sondern da lernt man als Firma selber auch über sich dazu, die Mitarbeiter lernen dazu, die tragen die Erlebnisse dieses Wissen dann auch weiter. Dadurch dienen sie wieder dem Input und dadurch lernt man wieder mehr. Also: Das ist so ein wirklich sich selbsttragender Prozess. Irgendwann, wo man mehr und mehrlernt und auch als Firma mehr und mehr dabei gewinnt.
Dennis Bruder: Wir bekommen ja häufig die Fragen in unserer Beratungstätigkeit. „Was kostet denn das Ganze jetzt und lohnt sich der ganze Mehraufwand?“ Vielleicht könntest du nochmal ganz kurz zum Abschluss sagen, ob sich das Ganze so im Großen und Ganzen lohnt für Microsoft.
Michael Hartmann: Das würde ich ganz klar mit einem „JA“ beantworten. Vor allem deswegen, weil es in den meisten Fällen gar nicht so der Mehraufwand ist. Das ist ein … Ich vergleiche manchmal „Digitale Barrierefreiheit“, wenn ich Trainings gebe, mit … Wenn ich vor 10 Jahren wie bei „Mobile Webseiten“ entwickelt haben das 1. Mal oder so oder die großen Webseiten haben dann ihre gute mobile Webseiten hatten. Am Anfang war das auch natürlich ein bisschen Mehraufwand. Man musste sich umgewöhnen, man musste den Prozess anpassen, aber irgendwann hatte jeder dieses Verständnis und dann war es gar nicht mehr so viel mehr Aufwand und wenn man es mal mit einem anderen Bereich nimmt, mit Barrierefreiheit beim Gebäudebau … Man muss heutzutage einem Architekten kein Geld mehr geben, wenn ich jetzt ein Bürogebäude baue, dass er barrierefrei mitdenkt, weil es dann auch z. B. gewisse Verordnungen gibt, aber er weiß halt ganz klar, wie verschiedene Themenbereiche wie Treppe, wie Eingangstüren, wie da die Möglichkeiten sind und kann damit auch relativ schnell entscheiden, wie eben das Thema „Barrierefreiheit“ umgesetzt werden kann und ähnlich ist es bei „Digitaler Barrierefreiheit“. Es gibt am Anfang eine Lernkurve und es kostet am Anfang natürlich ein bisschen Zeit, aber das sind jetzt für jemanden, der Design schon ein paar Jahre gemacht, jetzt nicht alle schwierige Themen. Das sind natürlich ein paar Neuerungen. Man muss sich manchmal dieses Konstrukt der Web Content Accessibility Guidelines ein bisschen einarbeiten, aber letztendlich ist es auch wieder ja nur der Designprozess gut durchgeführt, nämlich am Anfang zu verstehen, was Nutzer brauchen, was sie wollen, wie sie damit tagtäglich arbeiten, das hat man davor schon gemacht und das macht man, wenn man „Digitale Barrierefreiheit“ macht, weiterhin, Lösungen zu überlegen, einen Brainstorming machen, eine Ideation Phase zu machen, die hat man davor schon gemacht, macht man jetzt genauso, aber vielleicht noch mit ein paar Runden mehr, ein paar Ideen, die man dann hineinbringt. Also: Über den gesamten Prozess hinweg auch über das gesamte Thema Produktmanagement ist es gar nicht so diese große Bürde, die dazukommt, sondern das sind viele kleine Stellschrauben und die gab es in der Vergangenheit für viele andere Themen auch wieder und von vornherein zu sagen: „Ja, das kostet mich erstmal etwas“ und deswegen kann man es nicht machen. Sicherheit, das ist auch ein anderes Thema, was bei uns bei Microsoft wichtig ist, wird bei beiden Themen … Das ist so, wenn man die frühzeitig in den Design- und Entwicklungsprozess mit hineinnimmt, dann hat man später oft deutlich mehr gespart, als das, was man am Anfang hineingesetzt hat.
Dennis Bruder: Ja, das ist eigentlich ein ganz schönes Fazit, damit will ich auch abschließen für heute. Ich bedanke mich vielmals, war super interessant und abonniert auch ihr unseren Newsletter oder Podcast auf pfennigparade.de/Podcast oder der Webseite der Beratungsstelle Barrierefreiheit. Wir verlinken das natürlich in den Shownotes. Mein Name ist Dennis Bruder und wir freuen uns, wenn ihr auch das nächste Mal wieder dabei sein bei Barriere-Los.
Shownotes
Der Postcast wird erstellt von der Beratungsstelle Barrierefreiheit: https://www.byak.de/digital-barrierefrei.
Die Beratungsstelle wird gefördert aus dem Programm der Bayerischen Staatsregierung „Bayern barrierefrei": https://www.barrierefrei.bayern.de
Dennis Bruder ist Fachkraft im Test.Labor Barrierefreiheit der Werkstatt der Stiftung Pfennigparade: https://www.pfennigparade.de
Die Anmeldung zu dem gleichnamigen Barriere Los Newsletter finden Sie unter: https://www.byak.de/planen-und-bauen/beratungsstelle-barrierefreiheit/digital-barrierefrei/newsletter.html
Abonnieren Sie auch unseren Podcast unter www.pfennigparade.de/podcast
In dieser Folge wird der Inclusive Design Ansatz von Microsoft erwähnt. Was das ist, lesen Sie auf Englisch auf: https://www.microsoft.com/design/inclusive/
1. Podcast-Folge mit Holger Kiesel
Nicht erst seit der Verankerung im Behindertengleichstellungsgesetz ist digitale Barrierefreiheit auf dem Vormarsch. Aber wo stehen wir derzeit in Bayern, wenn es um die Zugänglichkeit für alle geht? Und wo ist noch Handlungsbedarf?
Mit Holger Kiesel, dem Behindertenbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung, spricht Dennis Bruder über den Stand der Barrierefreiheit in Bayern und wie die Pandemie die Digitalisierung bei Menschen mit Behinderung vorangetrieben hat. Ein positiver Schritt, wie beide finden.
<Transkript als Unterstützung für gehörlose Menschen
Zum Öffnen des Transkriptes hier klicken - Folge 1: Wie steht es um die Barrierefreiheit in Bayern?
Frauenstimme: Barriere-Los: Der Podcast für barrierefreie Lösungen im digitalen Raum.
Dennis Bruder: Hallo und herzlich willkommen zur ersten Folge von Barriere-Los im Podcast zum Thema „Digitalisierung und Barrierefreiheit“. Den Titel „Barriere-Los“ haben wir ganz bewusst gewählt. Es stecken nämlich zwei Wörter darin. Zum Einen das Wort „Barriere“ und zum Anderen das Wort „Los“ und jetzt könnte man meinen, dass wir quasi das Wort „Barrierefrei“ ersetzen wollten. Wir wollten mit dem Titel aber etwas Anderes. Wir wollten das Wort „Los“ in den Vordergrund setzen. Nämlich im Sinne von „Los wie Lösung“ und „Los wie Leg doch mal los“. Wir wollen Menschen dazu bewegen, Digitale Barrierefreiheit mitzudenken, mitzugestalten und anzupacken und gleich kommen wir auch zu unserem ersten Gast. Davor stellen wir uns aber vor. Also, die Macher des Podcasts.
Wir sind aus der Werkstatt der Stiftung Pfennigparade. Es ist eine größere Stiftung in München für Menschen mit Körperbehinderung. Wir sind buntgemischt mit verschiedenen Behinderungsbildern. Im Medienservice beschäftigen wir uns ganz besonders mit der Digitalen Barrierefreiheit. Da produzieren wir Webseiten oder barrierefreie Medien, wir machen Audios und Videos und ganz wichtig wir beraten zur Digitalen Barrierefreiheit.
Dann kommen wir auch schon zu unserem heutigen Gast. Sein Name ist Holger Kiesel. Er ist der Behindertenbeauftragte in Bayern und eigentlich die perfekte Person, um über den Status quo der Barrierefreiheit in Bayern zu berichten. Bevor wir ihn jetzt aber selbst zu Wort kommen lassen, stellt ihn unsere Werkstattmitarbeiterin Alexandra Goedeke kurz vor.
Alexandra Goedeke: Holger Kiesel ist SPD-Abgeordneter und Behindertenbeauftragter der Bayerischen Staatsregierung. Sich Gehör verschaffen konnte er bereits 17 Jahre lang als Rundfunkjournalist bei Bayern 2. In seiner Sendung „Notizbuch“ betrachtete er kontroverse Themen nüchtern und sachlich. Für den satirischen Blick auf den Alltag schuf er sich eine Kunstfigur den grantelten Rollstuhlfahrer Robert Rollinger. Barrierefreiheit ist für Holger Kiesel eines der wichtigsten Themen der Behindertenpolitik.
Dennis Bruder: Hallo Herr Kiesel. Es freut mich, dass Sie sich für unsere allererste Folge zur Verfügung stellen.
Holger Kiesel: Herr Bruder. Freut mich auch.
Dennis Bruder: Jetzt ist es ja das Schöne am Medienpodcast, dass man die Person nicht sieht, die man vor sich hat. Können Sie vielleicht ein bisschen etwas über Ihre persönliche Situation erzählen im Bezug auf Ihre Behinderung und dann gleich zum Thema kommen und zwar „Wo erleichtert Ihnen denn Digitalisierung den Alltag?“?
Holger Kiesel: Was kann zu mir sagen? Also, zunächst einmal: Ich sitze im Rollstuhl und zwar seit Geburt, kann man sagen, in einem handbetriebenen Rollstuhl, also kein Elektrorollstuhl und man sieht mir, glaube ich, jetzt vielleicht gar nicht auf den allerersten Blick an, dass ich eine Behinderung habe bis auf die Tatsache, dass ich im Rollstuhl sitze. Wenn aber dann so bestimmte Dinge passieren, laute Geräusche z. B., dann zucke ich sehr schnell zusammen und das liegt daran, dass ich es sehr viele verkürzte Muskeln in meinem Körper habe und da merkt man dann doch, dass ich Spastiker bin.
Dennis Bruder: Und wenn Sie darüber nachdenken, also wo Sie, Sie sitzen ja im Rollstuhl, wo Ihnen das „Digitale Leben“ und die „Digitale Welt“ die Dinge erleichtert, was würden Sie da sagen?
Holger Kiesel: Da gibt es natürlich ganz viele Dinge und das ist gerade jetzt in der Krise, glaube ich, auch nochmal deutlicher geworden, wie viele angenehme Möglichkeiten Digitale Barrierefreiheit bieten kann. Also, ich will mal ein Beispiel nehmen aus meiner alltäglichen Praxis. Wir machen ja gerade alle mehr oder weniger viele Videokonferenzen, wenn wir unsere täglichen Dinge erledigen, und da ist es ja schon oft so, dass man mal einen Gegenüber hatte, dessen Tonqualität nicht so gut ist, weil die Leitung nicht so gut ist. Die Leute reden durcheinander, es ist oft sehr schwierig, dem Gehörten zu folgen, und wenn es so bei einem Konferenzsystem automatische eine Untertitelung dabei ist, dann finde ich persönlich das sehr angenehm, weil es mir das häufig sehr viel einfacher macht, dem Gesagten oder dem, was besprochen wird, zu folgen oder anderes Beispiel ist: Ja das Konzept der „Leichten Sprache“. Also, bin immer wieder auf Webseiten, bei Texten im Internet dankbar, wenn ich auch mal eine Version in „Leichter Sprache“ gucken kann, weil es doch ganz viele Zusammenhänge gibt, die einem manchmal erst klar werden, wenn man sie in einer ganz einfacher Sprache nochmal liest.
Dennis Bruder: Die „Leichte Sprache“ muss man vielleicht dazu erklären, dass es ein ganz besonderes Sprachkonstrukt, das ein Teil Bebilderung hat und ein Teil eine Art eigene Grammatik hat, die versucht, in kurzen Sätzen Sachverhalte darzustellen. Häufig finde ich bei der „Leichten Sprache“ ganz interessant, dass es vor allem für die Macher eine große Abstraktionsleistung ist, diese komplizierten Sachverhalte dann in einfacher Weise darzustellen und es hilft ganz oft auch der Kommunikation meiner Erfahrung nach, sich da auch mal selbst Gedanken zu machen, ob man die Dinge einfacher ausdrücken kann.
Holger Kiesel: Ja und man kann sich auch mal die Frage stellen, finde ich, warum man eigentlich Dinge macht, die furchtbar kompliziert ausdrückt. Ja, das hat... Wir haben uns, glaube ich, in zig Bereichen daran gewöhnt, Dinge kompliziert auszudrücken, um anderen zu beweisen, was wir alles wissen und was wir für andere vielleicht können, vielleicht auch manchmal um ein Bisserl zu verschleiern, was wir eigentlich wirklich sagen wollen und da hilft vereinfachte leichte Sprache schon ganz viel.
Dennis Bruder: Ich persönlich muss auch sagen, um da mal kurz auszuholen, ich habe ja auch eine Körperbehinderung, für mich ist es so, dass mir die Digitalisierung eigentlich im Allgemeinen sehr viele Dinge erleichtert. Ich merke das jetzt auch gerade während Corona, dass ich an vielen Meetings sehr viel einfacher teilnehmen kann, weil ich auch im Elekrorollstuhl sitze, und normalerweise bräuchte ich jetzt einen Fahrdienst, wenn ich irgendwie zu einem Meeting mit Menschen zusammensitze, die ganz woanders sind, also die vielleicht in Bayern verteilt und so kann ich eigentlich ohne Probleme und ohne größeren Aufwand an diesen ganzen Meetings teilnehmen. Das ist auch etwas, was mir in Zukunft weiterhelfen würde. Das zu mir und jetzt zu Ihnen, Herr Kiesel. Was machen Sie denn in Ihrer Funktion als Behindertenbeauftragter konkret?
Holger Kiesel: Also, ich würde es mal unterteilen in drei ganz wesentliche Bereiche: Der erste Bereich ist die Beratung der Staatsregierung, also des Ministerpräsidenten aller bayerischen Ministerien in allen Fragen der Teilhabe der Inklusion der Barrierefreiheit, also alles, was Menschen mit Behinderung betrifft. Der zweite Teil ist das Mitwirken am Gesetzesvorhaben, also alles, was an Gesetzen, Verordnungen usw. überarbeitet wird oder neu herauskommt, sollte es, sofern es Menschen mit Behinderung betrifft und das ist fast auch immer so, auch über meinen Tisch wandern und ich und mein Team, wir können dann unsere Anmerkungen dazu geben, damit neue Gesetze möglichst im Sinne von Menschen mit Behinderung gemacht werden und auch ihre Bedürfnisse angemessen berücksichtigen und der dritte Bereich ist, uns erreichen jedes Jahr so etwa 1000 Anfragen von Bürgerinnen und Bürger mit Behinderung aber auch von Angehörigen, von Institutionen, Schulen, etc., die zu uns mit ihren Problemen sozusagen mit ihren Problemen zu uns kommen. Also, egal ob es Probleme mit der Barrierefreiheit sind oder ob es um inklusive Beschulungen geht, ob es um Inklusionen im Arbeitsleben geht, das alles wird an uns herangetragen und wir versuchen es dann .... Meistens können wir es nur weitergeben an zuständige Stellen, an diejenigen, die sich damit auseinandersetzen und die den Leuten hoffentlich dann weiterhelfen können. Wir haben so eine Art Vermittlerposition und manchmal können wir auch selber helfen. Ich glaube, das ist eine ganz wichtige Funktion, weil es einfach ganz viele Menschen mit Behinderung gibt, die aus verschiedensten Gründen oft schon seit Monaten, manchmal schon seit Jahren in einer ganz verfahrenen Situation sind, weil sich so ein Knäuel an Problemen aufgebaut hat, die sich nicht lösen lässt und die wissen sich dann ganz häufig nicht anders zu helfen als sich an uns zu wenden, sozusagen als letzte Hoffnung.
Dennis Bruder: Wenn Sie sagen, dass Sie sehr viele Anfragen aus der Bevölkerung kriegen, dann hat es sich ja bestimmt in dem Coronajahr auch eine ganze Menge getan und wenn ich daran denke, dass ja Homeschooling und Homeoffice jetzt das großes Thema sind und alle darüber reden, dann tun sich ja da für Menschen mit Behinderung nochmal ganz andere Fragen auf.
Holger Kiesel: Da ist ja natürlich ganz viel an uns herangetragen worden, weil das natürlich für Ziele eine ganz, ganz neue Situation war, also Thema des Tanzunterrichtes, sowohl für die Lehrkräfte, als auch für die Menschen mit Behinderung, als auch für ihre Angehörigen, also, da hat man erst mal gemerkt, wie viel grundsätzliche Defizite wir eigentlich noch beim Thema „Digitalisierung“ haben. Also, wie viele Schulen bspw. nach wie vor kein WLAN haben oder wie viele Schüler nach wie vor keine passenden Endgeräte bei sich zu Hause haben. Auch Schulbegleitung war ein großes Thema natürlich, weil am Anfang bei Vielen, glaube ich, so der Gedanke herrschte, „Naja, wenn Distanzunterricht ist, wenn der- oder diejenige nicht in die Schule fahren muss, dann braucht er auch keine Schulbegleitung. Was einfach so nicht stimmt, weil viele Menschen mit Behinderung auch wenn sie zu Hause am Unterricht teilnehmen, natürlich Schulbegleitung brauchen, also Schule, Distanzunterricht, Corona insgesamt ist seit vielen, vielen Monaten ein Riesenthema bei uns.
Dennis Bruder: Das glaube ich sofort. Das war bei uns in der Werkstatt natürlich auch sofort ein Riesenthema, weil wir auch gleich eine Schließung hatten der Werkstatt und wir haben da eigentlich einen pragmatischen gefunden, dass wir eigentlich direkt alle über Messenger eingesammelt haben, alle unsere Werkstattbeschäftigten, weil Messengerdienste sind, die eigentlich die meisten Menschen mit einer Behinderung bedienen können. Ein Smartphone kann man wunderbar bedienen als Mensch mit Behinderung und zwar mit verschiedensten Behinderungsbildern, also als blinder Mensch z. B. oder auch mit einer Körperbehinderung und da hatten wir zu allen Kontakt und dann sind wir später auf so Sachen wie Microsoft Teams übergegangen. Also, man muss so ein bisschen kreativ denken, um solchen Sachen auch zu begegnen. Jetzt ist es natürlich im öffentlichen Sektor häufig schwierig, weil es Vorgaben gibt. Wünschen Sie sich da manchmal so bisschen pragmatischere Lösungen?
Holger Kiesel: Ja, auf jeden Fall. Also, Pragmatismus ist etwas, was ich mir ohnehin im ganzen Politikbereich öfter wünschen würde, aber auch bei der Digitalisierung. Also, Sie haben jetzt die Konferenzsysteme angesprochen. Ich glaube, es gibt nach wie vor keines, von dem man wirklich sagen könnte, das ist 100% barrierefrei und da würde ich mir einfach wünschen, dass die Bürokratie bei der Entwicklung und ja beim Vorwärtsbringen neue Ideen im digitalen Bereich nicht so oft im Weg stehen würde.
Dennis Bruder: Jetzt reden wir gerade über den öffentlichen Sektor. Natürlich betrifft es die Barrierefreiheit auch nicht nur den öffentlichen Sektor, sondern auch ganz viele Privatwirtschaft. Die Verpflichtung gilt nur für den öffentlichen Sektor, auch durch eine europäische Richtlinie und durch das Behindertengleichstellungsgesetz in Deutschland. Welchen Eindruck haben Sie von der Wirtschaft? Ist dieses Thema „Barrierefreiheit“ und ist das überhaupt in der Gesellschaft schon angekommen? Also, Digitale Barrierefreiheit?
Holger Kiesel: Also: Man muss ja sagen, dass seit der Regierungserklärung 2013, wo Horst Seehofer gesagt hat, dass Bayern bis 2023 im öffentlichen Raum barrierefrei sein soll, dass seitdem schon sehr viel passiert ist. Es gab ja dann sozusagen dieses Programm „Bayern barrierefrei“ und das gibt es ja immer noch, da sind sehr viele Themenfelder angegangen worden und mein Eindruck ist so, dass dieser Begriff Barrierefreiheit in diesem Zeitraum im größer geworden ist. Also wir haben angefangen mit der ganz klassischen physischen Barrierefreiheit, also Barrieren für Rollstuhlfahrer und Menschen mit Körperbehinderung, dann haben wir uns angenähert, den Barrieren für Menschen mit Sinnesbehinderungen. Es waren erst die blinden und sehbehinderten Menschen und dann kamen immer mehr auch die Menschen mit Hörbehinderung dazu und jetzt sind wir so in der Phase, wo tatsächlich dieses Thema „Digitale Barrierefreiheit“ aber auch das Thema „Barrieren für Menschen mit psychischer Behinderung“ z. B. eher völlig anderer Natur sind als die für Menschen mit Sinnesbehinderung oder mit körperlicher Behinderung, dass diese Themen mehr in den Fokus rücken, aber man weiß es ja. Verwaltungen arbeiten und ticken i. d. R. relativ langsam, D. h., dass ein Thema im Bewusstsein angekommen ist bis zur flächendeckenden Umsetzung, dieser Weg ist schon noch häufig relativ weit dann.
Dennis Bruder: Das ist tatsächlich auch etwas, was wir als Beratungsstelle in Bayern häufiger erfahren, dass immer noch Kommunen, Städte bei uns anrufen und ganz überrascht sind, dass sie jetzt verpflichtet sind, barrierefreie Webseiten zu schaffen. Es ist immer wieder interessant, wenn man über das Thema redet und ganz häufig kriegt man dann gesagt, „Ja, wer soll es denn das Alles machen und Oh Gott und ganz viele Probleme. Haben Sie den Eindruck, dass auch die Chancen gesehen werden, die durch die „Digitale Barrierefreiheit“ entstehen oder entstehen doch eher die Probleme im Fokus?
Holger Kiesel: Also, da gibt es sehr unterschiedliche Reaktionen auf die Entwicklung. Ich habe schon den Eindruck, dass die Chancen gesehen werden. Die Chancen zu sehen, ist aber das Eine. Man muss die Chancen, die man sieht, dann natürlich auch nutzen und da sind wir auch gerade in der entscheidenden Phase, weil man natürlich die Krise hier schon ein bisschen wie ein Brennglas wirkt und offenlegt, wo sich im digitalen Bereich noch Defizite gibt und diese Chancen, diese Löcher zu stopfen und dann gleich den nächsten Schritt zu machen, um uns in Zukunft Technologien zuzuwenden, den müssen wir nutzen.
Dennis Bruder: Jetzt versuchen wir in diesem Podcast so ein bisschen an diese Lösungen und an die positiven Geschichten, die uns zwar interessieren. Sie wirken ja in die Politik rein und Sie haben gesagt, Sie mischen sich an den Gesetzen mit und an diversen Prozessen. Was würden Sie denn sagen: Wo haben Sie schon Erfolge feiern können? Was ist denn gut gelaufen in Ihrer Zeit?
Holger Kiesel: Also, was ich wirklich sagen kann: Das ist ein bisschen aus der Not geboren, aus der Krise geboren, ist aber nicht schlimm. Hauptsache, das passiert, dass bestimmte Stichwörter jetzt in der Politik wesentlich öfter fallen, was den digitalen Bereich betrifft. Also, z. B. das Stichwort „KI“ oder ein Stichwort wie „Avatare“, also wirklich digitale Zukunftstechnologien. Auch so etwas wird deutlich häufiger diskutiert und man versucht, wirklich auch die positiven Beispiele, die es schon gibt, um Menschen mit Behinderung mit digitalen Mitteln zu helfen, weiter zu verbreiten, zu sammeln und zu gucken, was könnte denn der nächste Schritt möglicherweise sein. Also, da hat es die Krise und ich hoffe, wir bleiben da dran, schon als so eine Art Beschleuniger gewirkt, Gott sei Dank.
Dennis Bruder: Jetzt haben Sie gesagt, Sie leiten eben viele Ihrer Anfragen weiter. Kennen Sie denn dann die Beratungsstelle für „Digitale Barrierefreiheit“ in Bayern? Haben Sie schon mal Anfragen weitergeleitet an diese Beratungsstelle?
Holger Kiesel: Also, da haben wir definitiv schon Anfragen weitergeleitet an euch, weil wir euch auch sehr gut kennen. Ich habe in den zwei Jahren an mich ganz intensiv mit euch und auch mit eure Arbeit auseinandergesetzt. Deswegen machen wir es oft und gerne, wo immer, was in diesem Bereich kommt, weil ich auch weiß, dass ihr da die passende Expertise habt und dass ihr da die Leute auch zu den richtigen Lösungen weitervermitteln könnt.
Dennis Bruder: Das ist super, dass da schon mal unser Angebot bekannt ist und an dieser Stelle würde ich dann gleich auch ein Anruf an die Hörer des Podcasts schicken, dass sie sich gerne auch zu direkten Beratungen zur „Digitalen Barrierefreiheit“ über die Bayerische Architektenkammer an uns wenden können. Wir sind eben Teil des Projektes „Bayern Barrierefrei“. Dort kann man auf der Webseite von „Bayern Barrierefrei“ sich einmal grundsätzlich zum Thema „Digitale Barrierefreiheit“ informieren und dann eben auch über die Erstberatung direkt auf uns stoßen. Da kann man auch mit ganz konkreten Fragen schon mal an uns herantreten, also an jeden, der jetzt noch viele Fragezeichen zum Thema „Digitale Barrierefreiheit“ hat gerne immer an uns wenden.
Ja, Herr Kiesel, dann war es auch schon. Das Format ist eher kurz und wir wollten heute einen groben Überblick geben. Was sagen denn Sie zum Abschluss, denn der Aufhänger eigentlich des Podcasts war: Wie steht es denn um die „Digitale Barrierefreiheit“ in Bayern?
Holger Kiesel: Also, ich glaube, wir sind gerade in einer Phase, wo wir wirklich große Chancen vor uns stehen haben und ich würde mir wünschen, ich glaube, es gibt sehr, sehr viele Leute mit wahnsinnig guten digitalen Ideen da draußen, auch Ideen für „Digitale Barrierefreiheit“ mit Lösungen, die Menschen mit Behinderung weit helfen können und dass man denen noch stärker die Steine aus dem Weg räumt, das wäre mir ein sehr großes Anliegen, weil dann können wir jetzt wirklich gerade einen großen Schritt vorankommen.
Dennis Bruder: Ja, das war sie auch schon, die erste Folge unseres Podcasts. Wenn ihr jetzt Fragen habt zur „Digitalen Barrierefreiheit“, dann schaut doch mal vorbei auf der Webseite der Beratungsstelle zur „Digitalen Barrierefreiheit“. Den Link haben wir euch in die Shownotes gesetzt und da findet ihr noch weitere Links zur Sendung. Mir hat es jedenfalls total Spaß gemacht. Vergesst auch nicht, unseren Kanal zu abonnieren und ich hoffe, dass ihr auch nächstes Mal wieder dabei seid.
Shownotes
Der Postcast wird erstellt von der Beratungsstelle Barrierefreiheit: https://www.byak.de/digital-barrierefrei.
Die Beratungsstelle wird gefördert aus dem Programm der Bayerischen Staatsregierung „Bayern barrierefrei": https://www.barrierefrei.bayern.de
Dennis Bruder ist Fachkraft im Test.Labor Barrierefreiheit der Werkstatt der Stiftung Pfennigparade: https://www.pfennigparade.de
Der Gesprächspartner unserer ersten Folge ist Holger Kiesel, der Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung: https://behindertenbeauftragter.bayern.de/
Im Gespräch wurde die Leichte Sprache erwähnt. Mehr Informationen zur Leichten Sprache finden Sie unter https://www.leichte-sprache.org/
Ausführliche Beschreibung des Podcasts Barriere? Los!
Menschen mit Behinderung stoßen im echten wie im digitalen Leben immer wieder an Grenzen. Ob im Berufsleben oder Alltag, beim Behördengang oder der Suche nach der nächsten Bushaltestelle. Mit der Verschmelzung der realen mit der digitalen Welt ist es gerade für Menschen mit Behinderung entscheidend bei diesem Prozess mitzuwirken - aktiv, gestaltend, ideenreich.
Mit unserem Podcast wollen wir Menschen mit und ohne Behinderung dazu befähigen, Barrierefreiheit mitzudenken, Entscheidungsprozesse mitzugestalten und so praktische Lösungen für alle zu finden.
Eine ganz besondere Rolle spielen dabei Schwerbehindertenvertreter. Sie sind die Ansprechpartner im Unternehmen, in der Behörde oder Kommune und die treibende Schnittstelle, wenn um Lösungen zur Barrierefreiheit geht. Aber gerade im digitalen Bereich sind die Unsicherheiten groß. Was brauche ich, um keinen im Bewerbungsprozess auszuschließen? Mit welchen einfachen Hilfsmitteln schaffe ich einen barrierefreien Arbeitsplatz? Wie erreiche ich jeden in der internen Kommunikation? Genau hier wollen wir Antworten liefern.
Wir widmen unseren Podcast also dem Abbau digitaler Barrieren. Einmal im Monat sprechen wir mit Expertinnen und Experten sowie Betroffenen darüber, wie Herausforderungen der digitalen Barrierefreiheit praktisch bewältigt werden können. Nicht das Problem steht im Fokus, sondern die Lösung!
Gefördert aus dem Programm der Bayerischen Staatsregierung „Bayern barrierefrei“: www.barrierefrei.bayern.de