Energieerzeugung: besser dezentral und regenerativ

Wind, Biomasse, Wasserkraft und Sonne -das sind regenerative Energieträger, die global gesehen zwar unbegrenzt sind, aber nicht ohne Weiteres und zu jeder Zeit zur Verfügung stehen. Da insbesondere die Speichermöglichkeiten für regenerativ erzeugte Energie bislang noch begrenzt sind, arbeiten Wissenschaft und Forschung mit Nachdruck an effizienten und wirtschaftlichen Lösungen. Niedrige Wirkungsgrade der Anlagen und oft weite Transportwege von Ökostrom, zum Beispiel von Offshore-Windparks und Stauseen, erschweren bisweilen den Umstieg vom fossilen ins solare Zeitalter. Hinzu kommen gesellschaftliche Widerstände gegen Veränderungen der gewachsenen Kulturlandschaft – an bestehende Kraftwerke und lokale Strommasten ist man gewöhnt, doch viele Menschen wehren sich gegen neue Windräder und neue Stromtrassen, die kilometerlange Schneisen verursachen.

Doch trotz aller Widerstände ist im Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit der Menschheit und deren Gesellschaftsform ein Umstieg von endlichen, fossilen Energieträgern auf eine vollständig regenerative Energieversorgung alternativlos. Ob und bis wann die Energiewende gelingt, hängt – neben politischem und gesellschaftlichem Engagement – aufgrund des verhältnismäßig hohen Energieverbrauchs für Bau, Betrieb und Instandhaltung von Gebäuden [3] maßgeblich davon ab, ob in der Gebäude-, Stadt- und Landschaftsplanung alle Aspekte einer stabilen und konzeptionell ausgereiften regenerativen Energieversorgung berücksichtigt werden. Wir Architekten tragen demnach eine ganz besondere Verantwortung für die Zukunft der Erde. Energie regenerativ und dezentral dort zu erzeugen, wo sie gebraucht wird, gewinnt als Ersatz für die gewohnten, zentralen Energieerzeugungssysteme zunehmend an Bedeutung, was maßgeblich die Energiekonzepte für Gebäude, Städte und landschaftliche Strukturen beeinflusst. 

Große Potenziale wie eine flexible Versorgung und kurze, verlustarme Transportwege, wirtschaftliche Unabhängigkeit und eine flexible Speicherung müssen aktiviert werden. All dies zieht gestalterische, technische, konstruktive und bauphysikalische Konsequenzen nach sich und erfordert intelligente architektonische Lösungen. Städte und Landschaften werden sich unweigerlich durch die Energiewende verändern. Als »Energiekulturlandschaften« sind sie maßvoll und zukunftssicher weiterzuentwickeln, ohne dass sie ihre kulturelle Identität leugnen oder verlieren. Auch Bauprozesse und das Management unserer Gebäude müssen angepasst werden, was, professionell umgesetzt, positive Auswirkungen haben wird.

Hier sind die Kompetenz und der Innovationswille von Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplanern gefragt, die sich mit dem jeweiligen Ort und seinem individuellen Potenzial auseinandersetzen, passgenaue Konzepte entwickeln, Diskussionen lenken und auch unkonventionelle oder unbequeme Maßnahmen nicht scheuen.

Effiziente Gebäudedämmung, energetisch optimierte Gebäudehüllen, multifunktionale Fassaden, anpassbare Gebäudetechnik und datensicher vernetzte Gebäudeautomation sowie Solaranlagen an Fassaden, auf Dächern oder frei stehend in der Landschaft, Nahwärmenetze und regenerative Energiekonzepte für Siedlungen und Quartiere, Windräder, Infrastruktur für Elektromobilität und neue Stromtrassen: Dies alles erfordert die Bereitschaft aller Beteiligten, gemeinsam und auf Augenhöhe nach Wegen in das Zeitalter CO2-freier Energiegewinnung zu suchen. Flächen zur regenerativen Energiegewinnung müssen nicht nur unter Berücksichtigung von wirtschaftlichen, sondern insbesondere auch von qualitativen, gestalterischen Kriterien ausgewiesen werden, um die nötige Akzeptanz zu finden.

Eine konsequente regenerative Energieversorgung bedeutet: Umdenken, Weiterdenken, Mitdenken und Vorausdenken

Hier sind alle Planungsdisziplinen gefordert, sich einzubringen und das vorhandene Potenzial auszubauen und weiter auszuschöpfen. Damit alle Räder im Planungsgetriebe – von der Landschafts- und der Stadtplanung über das Quartierskonzept bis zum letzten Gebäudedetail, sowohl bei Sanierung als auch bei Neubau – verlustfrei für eine regenerative Energiebereitstellung und -nutzung ineinandergreifen, muss vom Großen ins Kleine und umgekehrt gedacht und gearbeitet werden. Dafür können Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, indem sie Städte, Quartiere und Gebäude so konzipieren, dass sie möglichst wenig Energie benötigen – sowohl im Heiz- als auch im Kühlfall. Mehr noch: Moderne Quartiers- und Gebäudekonzepte eignen sich für künftige Entwicklungen in der Energieerzeugung und Speichertechnologie. Moderne Gebäude produzieren selbst die benötigte Energie und bieten auch Lösungen für einen möglichen Systemausfall Sie können dazu beitragen, den zumeist höheren Energiebedarf des baukulturell erhaltenswerten Gebäudebestands auszugleichen, sodass der Umfang von energetischen Sanierungsmaßnahmen sinnvoll und individuell abgewogen werden kann. Im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtungsweise sollte dabei auch die graue Energie, also die Energie, die im Gebäudebestand bereits verbaut wurde, Teil einer energetischen Gesamtbilanz sein.

[3] www.bmvi.de; Bestandsaufnahme zur Energie- und Klimaschutzentwicklung – Monitor 2012 / Gebäude und Verkehr

nach: „Energieatlas – Nachhaltige Architektur“, Hegger, Fuchs, Stark, Zeumer, Detail Verlag

 

 

 

ediundsepp Gestaltungsgesellschaft, München