Haus der Familie in Vaterstetten, strunz_architekten

Foto: Michael Heinrich

Sozioökonomie und Kultur: miteinander zum Erfolg

Im Grunde genommen sind sich alle Beteiligten einig: Das Projekt »Energiewende« muss möglichst schnell zum Erfolg geführt werden. Doch wir leben nicht in einer selbstverständlichen Konsensgesellschaft, sondern sind daran gewöhnt, tagtäglich Einzelinteressen in intensiven Auseinandersetzungen geltend zu machen. Individuelle Freiheit ist ein hohes, unanfechtbares Gut. Sie kann jedoch einem gesamtgesellschaftlichen Interesse oder einer offensichtlichen Notwendigkeit – in diesem Fall dem Erfordernis, rasch und uneigennützig zu handeln – entgegenstehen. Trassen für den Transport erneuerbarer Energien von Nordnach Süddeutschland? Windräder, mit denen sich Strom CO2-frei gewinnen lässt? Selbstverständlich – aber am besten nicht vor der eigenen Haustür!

Der Konflikt zwischen Politik, Ökonomie und Gesellschaft kristallisiert sich beim Thema Energie an einem kritischen und entscheidenden Punkt: Partikularinteressen und eine Idealisierung des Wachstumsprinzips konkurrieren mit den Anforderungen an eine zukunftsfähige Gesellschaft, deren Grundlage eine lebenswerte, natürliche Umwelt sein muss. Rein individuelle wirtschaftliche Interessen und eine Fehlinterpretation der Marktliberalität, die unser Wirtschaftssystem bietet, dürfen jedoch die gesamtgesellschaftliche Entwicklung nicht dominieren.

Alle Generationen fragen sich: »Wie wollen wir leben?« Die Frage sollte aber eigentlich lauten: »Wie müssen wir leben, damit ein Leben auf der Erde auch in Zukunft möglich ist?« Eine wesentliche Voraussetzung dafür bildet das Gelingen der Energiewende.

Am ehesten dürfte die Energiewende gelingen, wenn sie in ihren Zielsetzungen den größtmöglichen gesellschaftlichen Konsens erreicht und bei dieser Entwicklung keine »Verlierer« auf der Strecke bleiben: Ein zielorientiertes, offenes Miteinander, Bewusstseinsbildung, Toleranz und Akzeptanz auf der Basis fundierter Informationen und vertiefender Wissensvermittlung sind eine Frage der Gesellschaftskultur. Wie geschieht dies in Deutschland?

Architekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner leben diese Kultur und stehen damit für eine bessere, energetisch gerechter versorgte Welt ein. Sie beraten und unterstützen Bauherren, Eigentümer, Investoren und Entscheidungsträger mit ihrem Engagement bestmöglich. Ihre Konzepte und Projekte zeigen auf, dass es bei der Energiewende nicht um »Verzicht, Freudlosigkeit, Einschränkung und Reduktion« geht, sondern dass sich mit den notwendigen Veränderungen eine höhere Lebensqualität gewinnen lässt, die zugleich ökonomische Vorteile bietet.

Sie wirken darauf hin, nachteilige Einflüsse von Vorhaben und Nutzungen durch eine naturverträgliche Gestaltung zu mindern. Beispielsweise ermöglichen ihre Analysen und ganzheitlichen Planungen auf der Basis objektiver Kriterien die Auswahl von Standorten mit einer möglichst geringen Empfindlichkeit gegenüber einer Nutzung für bestimmte Arten der Energieerzeugung und zugleich die Stärkung der Qualitäten des übrigen Naturraums als Identifikations- und Erholungsraum. Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner tragen dazu bei, den Gebäudebestand – soweit möglich und sinnvoll – zu nutzen und damit den Städten und Gemeinden zugleich den historisch gewachsenen kulturellen Kontext weitgehend zu bewahren. Dieser erzeugt »Heimat«, Identifikation und Akzeptanz für punktuell notwendige Veränderungen. Wesentliches Ziel auf dem Weg der Energiewende wird sein, diese Heimat, d.h. die vertraute Umgebung, die untrennbar zur persönlichen Identität gehört, zu schützen und als Kultur- und »Energielandschaft« behutsam weiterzuentwickeln.

Sozioökonomische und kulturprägende Themen im Zusammenhang mit der Energiewende – z.B. Widerstandsfähigkeit (Resilienz von Regionen) und Änderungen im Konsumverhalten, die helfen, innerhalb der ökologischen Tragfähigkeit der Erde zu bleiben (Suffizienz) – beschäftigen inzwischen ganz unterschiedliche Wissenschaftsdisziplinen. Allen gemeinsam bleibt die Verpflichtung eines jeden, Gewohnheiten, Ideologien, Ansprüche und vermeintliche Gewissheiten zu überprüfen. Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner haben die verantwortungsvolle Aufgabe, diesen Prozess zu konzipieren und zu moderieren sowie die Beteiligten zu beraten. Sie gestalten die »Baukultur der Energiewende«.

 

 

 

Dimensionen nachhaltiger Entwicklung

Dimensionen nachhaltiger Entwicklung

Quelle: »Lebenszyklusanalyse in der Gebäudeplanung, König, Kohler, Kreißig, Lützkendorf, Detail Green Books

 

 

Vergleich Wohnflächenbedarf/Kopf 1950 und 2013
Wohnflächenbedarf pro Kopf 1950: 19 Quadratmeter; 2013: 45 Quadratmeter

Vergleich Wohnflächenbedarf/Kopf 1950 und 2013

Quelle: Hegger TU Darmstadt / Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung