Was ist Normung?

norma (lat.) ursprünglich: rechter Winkel, Winkelmaß - übertragen: Richtschnur, Maßstab, Regel, Vorschrift

Der Begriff "Normung" reicht von "Normierung", die z.B. durch das Deutsche Institut für Normung (DIN) oder andere Regelsetzer vollzogen wird, bis hin zur Beschäftigung mit Standards, Qualitäten, Konventionen, Traditionen und Strukturen, die sich aus vorgenannten Aspekten ergeben.

Zu Zeiten des mittelalterlichen Gilden- und Zunftwesens wurden die Regeln der Baukunst mündlich (und unter marktstrategischen Erwägungen) weitergegeben. Zunftgeheimnis, Erfahrungen und regionale Handwerkstradition waren für die Verbreitung der Regeln maßgeblich. Vornehmlich empirisch gewonnene Erkenntnisse waren Grundlage dieser technischen Regeln. Im Zeitalter der Industrialisierung hielten wissenschaftliche Methoden Einzug. Erste technische Hochschulen wurden gegründet und technische Regeln und Definitionen wurden mehr und mehr niedergeschrieben. Vor rund 100 Jahren (1817) wurde das Deutsche Institut für Normung – DIN gegründet. Noch älter ist der Verein Deutscher Ingenieure – VDI. Dieser feierte 2016 seinen 160. Geburtstag.

In diesem Zuge entstanden die ersten technischen Regelwerke im heutigen Sinne: wissenschaftlich fundierte und praktisch erprobte Erfahrungssammlungen. Wie von jeher sind diese wichtiges Handwerkszeugs aller Planenden und Ausführenden. Normen sind Maßstab für eine sach- und fachgerechte Ausübung deren Tätigkeit und Benchmark für das geschuldete Qualitätsniveau. Die in Normen niedergelegten Definitionen und Regelungen sind letztlich auch Grundlage unserer fachlichen Kommunikation.

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»Planen und Bauen« ist die Aufgabe und die Kompetenz der Architekten und Stadtplaner. Das Aufgabenspektrum ist vielfältig. Es umfasst sowohl den Planungsgegenstand selbst als auch die hiermit verbundenen Planungs- und Realisierungsprozesse. Mit ihren Planungen gestalten Architekten und Stadtplaner die Umwelt. Als Angehörige der Freien Berufe sind sie zudem in besonderem Maße dem Gemeinwohl und der Gesellschaft verpflichtet.

„Planen und Bauen“ ist seit jeher in ein Gefüge aus Regelungen, Konventionen und Traditionen eingebunden. Diese Standards sind Grundlage der fachlichen Kommunikation. Sie helfen, Vereinbarungen zu treffen. Sie geben Orientierung, was erwartet bzw. geschuldet wird, und sie sind Teil unseres nationalen Rechtssystems.

Architekten schulden das mangelfreie Werk. Qualitätvolles Bauen heißt jedoch weit mehr als bloße Mangelfreiheit. Bauen ist die Grundlage der Baukultur: aus Gebautem kann Architektur entstehen.

Normen sind hierbei ein wichtiges Handwerkszeug. Sie definieren Rahmenbedingung und Grundlagen. Planen – auch unter Anwendung von Normen – heißt jedoch, auf den Einzelfall bezogene und individuelle Lösungen zu entwickeln. Kreativität ist gefragt. Kreativität lässt sich nicht normen. Kreativität braucht Raum. Die Balance zu finden zwischen Rahmen und Grundlage auf der einen und dem notwendigen Raum auf der anderen Seite, ist eine der großen Herausforderung im Aufgabenfeld Normung.

Denn: Der Fokus der Planung richtet sich nicht ausschließlich auf das Hier und Jetzt, sondern muss künftige Entwicklungen und Anforderungen mitbedenken: hier beginnt Innovation. Es reicht nicht aus, auf das gerade Erforderliche Antworten zu finden, darauf zu reagieren oder sich diesem anzupassen. Innovation trägt weiter, den Berufsstand, die Berufsausübung und die Architektur. Es gilt, das Künftige zu entwickeln, zu gestalten und zu sichern.

Viele Fragen rund um »Normung«

Grundsätzlicher Natur ...

  • Warum Normung?
  • Was versteht man unter Normenwesen, Normierung, Normen?
  • Seit wann gibt es Normung?
  • Wer macht Normen?
  • Wie entsteht eine Norm?
  • Wozu überhaupt normieren?
  • Welche Bedeutung haben Normen für das »Planen und Bauen«?
  • Was ist die rechtliche Bedeutung von Normen?
  • Was genau ist eine »Regel der Baukunst«, eine »anerkannte Regel der Technik«, der »Stand der Wissenschaft«, der »Stand der Technik« oder eine »eingführte Technische Baubestimmung«?
  • Wo liegen die Unterschiede?
  • Welche Rolle spielen Normen insbesondere im Baurecht? Wie lese ich Normen richtig?
  • Muss – kann – soll … Was bedeutet ETB, DIN ISO, DIN CERTO, IEC, DIN VDE, DIN EN …?
  • Woher bekomme ich die für mich wichtigen Normen?

und zu Einzelaspekten ...

  • Wann schulde ich was?
  • Welche Qualität schulde ich, damit mein Werk mangelfrei ist?
  • Wann muss ich eine Sonderlösung vereinbaren?
  • ...

Hier möchten wir dazu beitragen, Licht in den "Normendschungel" zu bringen. Merkblätter zu zentralen Themen der Normung und zu wichtigen Einzelnormen werden regelmäßig gemeinsam mit einzelnen Mitgliedern des Netzwerks Normung für Sie erarbeitet. Die Dokumente werden sukzessive auf diese Seite eingestellt. Auf folgende Dokumente möchten wir aufmerksam machen:

Normen und Recht

Ihrem Ursprung nach entstehen Normen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Prozessen. Aus diesem Grunde legt das Deutsche Institut für Normung besonderen Wert darauf, dass die Privatwirtschaftlichkeit von Normungsorganisationen auch weiterhin gewährleistet ist. Normen spielen jedoch auch in der nationalen Rechtssystematik eine entscheidende Rolle.

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Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem DIN besteht ein Vertrag, in dem sich u. a. das DIN verpflichtet, Anträge der Bundesregierung auf Durchführung von Normungsarbeiten, für die von der Bundesregierung ein öffentliches Interesse geltend gemacht wird, bevorzugt zu bearbeiten. Ferner hat dort das DIN der Bundesrepublik Deutschland seine Unterstützung bei der Erfüllung der sich aus zwischenstaatlichen Vereinbarungen ergebenden Verpflichtungen auf dem Gebiet der Normung und der damit zusammenhängenden technischen Vorschriften zugesagt.

Die anerkannten Regeln der Technik

§ 633 Abs. 1 BGB: "Der Auftragnehmer schuldet seinem Auftraggeber eine Leistung mit der Qualität, die für den vertraglich vorausgesetzten bzw. für den gewöhnlich zu erwartenden Gebrauch erforderlich ist." Ist nichts anderes vertraglich vereinbart, führt dies u.a. unmittelbar zum Begriff des "normgerechten Bauens« und zu den "allgemein anerkannten Regeln der Technik" bzw. "Regeln der Baukunst" als Definition des zu erbringenden Mindeststandards.

Diese Systematik begegnet uns in fast allen Rechtsbereichen

  • Bürgerliches Recht / Zivilrecht: Definition des Maßes der vertraglichen Leistung
  • Öffentliches Recht / Art. 3 BayBO: Orientierung für die im Interesse der Allgemeinheit zu billigende Bauweise
  • Strafrecht: Vermeidung der Gefährdung von Leib und Leben

Vermutungswirkung

Werden die sogenannten "allgemein anerkannten Regeln der Technik" (aRdT) eingehalten, so kann vermutet werden, dass die in einer Planung vorgeschlagenen Lösungen den gesetzlich geschuldeten (Mindest-)Anforderungen bzgl. Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit sowie den Wirtschaftlichkeitserwartungen entsprechen. Dies ist gerade im haftungsrechtlichen Kontext wichtig zu wissen.

Wann spricht man nun von einer allgemein anerkannte Regel der Technik?

Reichsgericht in Strafsachen, Urteil vom 11.10.1919 "Eine technisch anerkannte Regel liegt vor, wenn sie in der technischen Wissenschaft als theoretisch richtig anerkannt ist, feststeht, sowie durchweg bekannt und aufgrund der praktischen Erahrung als technisch geeignet, angemessen und notwendig anerkannt ist." (RGSt 44,76)

Die allgemein anerkannten Regeln der Technik finden sich u.a. in Teilen von DIN-Normen, sonstigen technischen Regelwerken, VDE-Richtlinien, Arbeitsblättern usw. Eine abschließende Zusammenstellung gibt es nicht, da der Fundus der Regelungen sich ständig in Fluss befindet und die Inhalte sich dynamisch verändern.

Was bedeutet das für den Planungsalltag?

  • Wichtig ist Wissen und Erfahrung!
  • Planen heißt DENKEN! - Planung ist unser tägliches Geschäft und unser Einkommen!  

Sind DIN-Normen immer anerkannte Regeln der Technik?

Nein! Jedoch besteht die Vermutung, dass sie zu solchen werden bzw. es bereits sind. Dieses Ziel ist in der DIN 820, in der das DIN seine Grundsätze festlegt, geregelt. Die sogenannte Vermutungswirkung ist haftungsrechtlich von großer Bedeutung.

Das "Meersburgurteil" des Bundesverwaltungsgericht warnt davor, den Erkenntniswert von DIN-Normen überzubewerten: Aufgrund der Zusammensetzung der Ausschüsse darf im Streitfall das Ergebnis der Beratungen nicht unkritisch als "geronnener Sachverstand" verstanden werden. "Zwar kann den DIN-Normen einerseits Sachverstand und Verantwortlichkeit für das allgemeine Wohl nicht abgesprochen werden. Andererseits darf aber auch nicht verkannt werden, dass es sich dabei zumindest auch um Vereinbarungen interessierter Kreise handelt, die eine bestimmte Einflussnahme auf das Marktgeschehen bezwecken. Den Anforderungen, die etwa an die Neutralität und Unvoreingenommenheit gerichtlicher Sachverständiger zu stellen sind, genügen sie deswegen nicht."

Fragen direkt an uns

Selbstverständlich können Sie sich bei Fragen auch direkt an uns wenden. Sie erreichen uns unter normung@remove-this.byak.de.

Ihre Ansprechpartnerin

Dipl.-Ing. Univ.
Jutta Heinkelmann

Architektin, Stadtplanerin, Referentin Wohnen, Standards, Normen

Tel.: +49 89 139880-14