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Einführung

Architektur und Städtebau im Wandel

Wir leben in einer Epoche des Übergangs, in einer Zeit zwischen „nicht mehr“ und „noch nicht“. Aus heutiger Perspektive haben sich Städtebau und Architektur durch die Nutzung fossiler Energieträger nur für wenige Generationen aus dem Kontext spezifischer Klimabedingungen und lokaler Ressourcen „befreit“. Diese Zeit geht nun offenkundig einem Ende entgegen. Städtebau und Architektur stehen in den kommenden Jahren vor grundlegenden Veränderungen. Aber welche Aufgaben kommen demnach auf Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner zu? Und welche Potenziale gilt es dabei zu entdecken?

Effizienz, Konsistenz und Suffizienz
Einerseits sind die architektonischen, technischen und konstruktiven Entwicklungen vor dem Hintergrund der Energiewende spätestens seit Beginn der 2000er-Jahre bemerkenswert. Wir können inzwischen Gebäude errichten, die mehr Energie produzieren als sie verbrauchen. Uns stehen Hochleistungsdämmstoffe und zunehmend auch Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen zur Verfügung. Die Dreifachverglasung bildet mittlerweile den Standard, darüber hinaus sind Vakuumverglasungen erhältlich, die nur noch äußerst geringe Wärmeverluste aufweisen. Erdsonden in Kombination mit Wärmepumpen, Eisspeicher, kybernetisch wirkende Luftkollektoren und insbesondere Solartechnik – alle erdenklichen Technologien stehen bereit, um erneuerbare Energie direkt am Standort zu gewinnen. Die Gebäudetechnik wird stetig effizienter und gleichzeitig ist der Trend zu verzeichnen, den Technisierungsgrad zu reduzieren und robuste wie dauerhafte Versorgungskonzepte anzustreben.

Die gegenwärtige Dynamik im Bauwesen lässt sich nicht losgelöst von den internationalen und nationalen politischen Zielsetzungen erklären. Mit großer Euphorie verpflichtete sich die Weltgemeinschaft auf der UN-Klimakonferenz in Paris (COP 21, 2015), die globale Erwärmung deutlich unter zwei Grad zu halten und das 1,5-Grad-Ziel anzustreben. Darüber hinaus sieht das Abkommen vor, die Treibhausgasemissionen in den Jahren 2045 bis 2060 auf null zu senken. In die internationalen Beschlüsse fügt sich das Energiekonzept der Bundesregierung ein – es sieht vor, den Gebäudebestand in Deutschland bis 2050 nahezu klimaneutral zu gestalten. Um die langfristigen europäischen und nationalen Klimaschutzziele zu erreichen, wurden seitens Politik und Gesetzgebung in den vergangenen Jahren bereits entscheidende Weichen gestellt, deren fundamentale Bedeutung für das Planen und Bauen schon jetzt erkennbar ist:

  • Die EU-Gebäuderichtlinie „Energy Performance in Buildings Directive (EPBD)“ ist ab 2019 in Deutschland als gesetzlicher Mindeststandard für alle neuen öffentlichen Gebäude sowie ab 2021 auch für alle privaten Neubauten einzuführen. Eine Anpassung der Energieeinsparverordnung (EnEV) und des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes (EEWärmeG) – die den EU-Anforderungen nach sogenannten Fast-Nullenergiegebäuden („nearly zero energy buildings“) entsprechen – sind mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) aktuell in der Entwicklung
  • Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass aktive Solarflächen für die gebäudeeigene Wärme- und Stromerzeugung in Dach und/oder Fassade im Regelfall für alle Neubauten obligatorisch werden. Die solare Aktivierung muss zukünftig in den ersten Planungsphasen Berücksichtigung finden und erfordert neue architektonisch überzeugende Ausdrucksformen
  • Nach Einführung des GEG wird die Betrachtung des Konstruktionsaufwandes – die sogenannte graue Energie bzw. der Primärenergieinhalt (PEI) – verstärkt in den allgemeinen Fokus rücken. Im Bundesbauministerium liegen bereits Überlegungen vor, in den 2020er-Jahren – als nächsten Entwicklungsschritt – die Ökobilanzierung in das GEG einzubeziehen. Dann sind Konstruktionsaufwand und Betriebsenergien im Lebenszyklus (z.B. über 50 Jahre) ganzheitlich aufeinander abzustimmen.

In den „Positionen zur Energiewende“ beschreibt die Bayerische Architektenkammer die Innovationsfähigkeit des Berufsstands der Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner. Denn energieoptimierte Gebäude erfordern angepasste bauphysikalische, konstruktive, technische und gestalterische Lösungen. Der Umbau unserer Energieinfrastruktur und die vornehmliche Nutzung dezentral erzeugter, erneuerbarer Energien werden sich gravierend auf das Erscheinungsbild unserer Städte und Dörfer sowie auf das Landschaftsbild auswirken. Die Größe der Herausforderung wird beim gegenwärtigen Photovoltaik-Ausbau erkennbar: Aktuell beträgt der Anteil erneuerbarer Energien ca. 36% des gesamtdeutschen Strombedarfs. Es besteht die politische Vorgabe, den Anteil erneuerbarer Energien insgesamt bis zum Jahr 2030 auf 65% zu erhöhen. Dabei soll die Photovoltaik von derzeit ca. 40 TWh auf 120 TWh (= 20% des Strombedarfs) ausgebaut werden. In Fläche umgerechnet bedeuten diese Ertragszahlen, dass in den nächsten Jahren eine Milliarde Quadratmeter Solartechnik installiert werden. Und da der selbstproduzierte und selbstgenutzte Strom mittlerweile auch kostengünstiger ist als Netzstrom, werden diese 1.000.000.000 m2 zweifelsohne ihren Weg in unsere Städte und Dörfer finden. Es ist daher unumgänglich, dass sich unser Berufsstand der Aufgabe annimmt und das Erscheinungsbild unserer gebauten Umwelt nicht dem Zufall überlässt.

Es ist inzwischen Konsens, dass die Sicherung des heute erreichten Lebensstandards und die weitere wirtschaftliche, technische sowie gesellschaftliche Entfaltung in hohem Maße von einer verbesserten Energieeffizienz aller Gebäude und technischen Systeme sowie einer klimaschonenden Energieversorgung abhängig sind. Man könnte also davon ausgehen, dass die Energiewende inzwischen so weit ins öffentliche Bewusstsein gedrungen ist, dass wir uns zielsicher auf dem Weg befinden und der Umbau unserer Energieinfrastruktur gelingt.

Andererseits müssen uns die bisher in Deutschland erzielten Ergebnisse bei der Energieeinsparung im Gebäudesektor nachdenklich stimmen: In den vergangenen 25 Jahren (1990–2015) hat sich pro Kopf der Raumwärmebedarf quasi nicht verringert, da den Einsparungen mittels Dämmmaßnahmen und rationeller Energieumwandlung im gleichen Zeitraum Mehrverbräuche infolge gestiegenen Wohnflächenbedarfs und erhöhten Komfortansprüchen gegenüberstehen. Wir sind ersichtlich weit davon entfernt, die Klimaschutzziele im Bausektor zu erreichen.

Daher setzt sich die Erkenntnis durch, dass es nicht gelingen wird, die Energiewende mit ausschließlich technischen Lösungen zu gestalten. Dämmmaßnahmen (= Effizienz) oder die Nutzung erneuerbarer Energien bzw. die Verwendung nachwachsender Baustoffe (= Konsistenz) sind durch Strategien zu ergänzen, die der Frage nach dem rechten Maß nachgehen (= Suffizienz). Beim Planen und Betreiben von Gebäuden müssen wir uns mit der zunächst unbequem erscheinenden Aufgabe beschäftigen, neue Optionen für ein reales Weniger an Ressourcenverbrauch zu erschließen. Dabei wird es unumgänglich sein, die bisherigen Ansprüche, das Komfortniveau und die etablierten Standards zu hinterfragen, um zukunftstaugliche Konzepte zu entwickeln.

Wahrscheinlich wird uns der Umfang der Neuformulierungen in Bezug auf Effizienz-, Konsistenz-, und Suffizienzmaßnahmen überraschen, ganz sicher sind hierbei auch gesellschaftliche und soziale Innovationen erforderlich. Der Schweizer Architekt und Hochschullehrer Peter Steiger bemerkte hierzu, dass bezeichnenderweise ein Begriff für das Gegenteil von Wirtschaftswachstum fehlt, der Hoffnung auf höheren Wohlstand, jedoch ohne unerwünschte Umweltbelastungen verspricht. Da Worte wie „Verzicht“, „Vermeidung“ oder „Rückbildung“ im allgemeinen Sprachgebrauch negativ besetzt sind, lösen sie dementsprechend keine positiv motivierten Handlungen aus. [1] Auch nach Auffassung des Soziologen Wolfgang Sachs reicht es nicht aus, unter Zukunftsfähigkeit nur eine Reihe von Reduktionszielen zu verstehen. „Vielmehr muss man die Produktionsformen, Lebensstile und Denkweisen erkunden, in die ein maßvoller Naturverbrauch eingelassen sein könnte, [...] denn Reduktionsziele allein informieren höchstens, beflügeln aber keinen.“ [2]

Überlegenswert erscheint zudem, dass das kulturelle Erbe bestehender Gebäude und Stadtquartiere, die teilweise bereits Generationen überdauerten – gleichermaßen wie Rohstoffe und fossile Energieträger – eine begrenzte Ressource darstellen. Über das Einzelgebäude hinaus erzeugt die strategische Landes-, Regional- und Stadtplanung übergeordnete Rahmenbedingungen und Strukturen. Nur in integrierten Gesamtkonzepten können die Schwerpunktthemen Mitigation (d.h. Minimierung des Energiebedarfs und Maximierung des Anteils erneuerbarer Energien) und Adaption (d.h. Anpassungsstrategien an den Klimawandel) unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Aspekte mit baukulturellen Zielen verknüpft werden.

Nachhaltigkeitsverständnis
Vor dem Hintergrund der bestehenden Energie- und Klimaschutzziele erscheint der Schlüsselbegriff „Nachhaltigkeit“ die Bedeutung als historische Chance eines dauerhaft neuen Naturverständnisses zu erlangen – und hat inzwischen in der öffentlichen und architektonischen Debatte mitunter inflationäre Verbreitung gefunden. Bereits auf der Rio-Konferenz von 1992 (dem sogenannten Erdgipfel) wurde seitens der Politik ausdrücklich die Ausbildung von geeigneten Messgrößen für eine nachhaltige Entwicklung gefordert. Damit der Begriff „Nachhaltigkeit“ nicht durch unscharfe Zielformulierungen zu einem Schlagwort verkommt oder entwertet wird, muss er folglich in Bezug auf den jeweiligen Betrachtungsgegenstand präzisiert und auf konkrete Sachverhalte bezogen werden.

Analog zur Energiewende sind auch im nachhaltigen Bauen die Initiativen der vergangenen Jahre eindrucksvoll. Der erste „Leitfaden Nachhaltiges Bauen“ wurde im Jahr 2001 per Erlass in der Bundesbauverwaltung eingeführt, um Nachhaltigkeitsanforderungen beim Planen, Errichten und Betreiben von öffentlichen Gebäuden zu konkretisieren. Infolge seiner strukturellen Ordnung gelingt es dem Leitfaden, die Komplexität der Fragestellungen darzustellen sowie die Vernetzung der ökologischen, ökonomischen und sozio-kulturellen Dimensionen des Drei-Säulen-Modells aufzuzeigen. Vor diesem Hintergrund wurde eine Vielzahl von Hilfsmitteln wie Checklisten, Bewertungshilfen oder Zertifizierungssystemen entwickelt.

Seit 2009 verbreiten sich hierzulande das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) und das vergleichbar aufgebaute Deutsche Gütesiegel Nachhaltiges Bauen (DGNB). Der deutsche Ansatz zur quantifizierbaren Nachhaltigkeitsbeurteilung von Gebäuden wurde auf der World Sustainable Building Conference in Melbourne – noch vor den langjährig eingeführten Gebäudelabels wie LEED (USA) oder BREEAM (GB) – als derzeit innovativstes und weltweit bestes System ausgezeichnet. Für den Bundesbau ist inzwischen die Anwendung des BNB (ab einer Bausumme von zwei Millionen Euro) verpflichtend vorgegeben. Auch im Landesbau verbreitet sich die Nachhaltigkeitszertifizierung zusehends. Einige Bundesländer haben das BNB verbindlich eingeführt (z.B. Schleswig-Holstein) bzw. beabsichtigen die Einführung (z.B. Berlin) oder sammeln entsprechende Erfahrungen bei großangelegten Pilotvorhaben (z.B. Baden-Württemberg).

Da nachhaltige Gebäude nachweislich deutliche Vorteile gegenüber konventionellen Gebäuden aufweisen, gehen viele Studien davon aus, dass langfristig nachhaltige Immobilien infolge der Nachfrage den Marktstandard definieren werden. Dies zeigt sich in der Immobilienwirtschaft bereits am Transaktionsvolumen für gewerbliche Immobilien. Im Jahr 2016 belief sich das Gesamtvolumen auf ca. 35 Milliarden Euro, wobei zertifizierte Gebäude über einen Marktanteil von etwa 21% verfügen – Tendenz steigend [3]. Während im Neubau zumeist das DGNB-Label verwendet wird (ca. 80%) liegt bei Bestandszertifizierungen BREEAM vorne (ca. 56%).

Umfassend werden wir die nachhaltige Gestaltung unserer gebauten Umwelt allein mit Zertifikaten, Labels oder Umweltengeln jedoch nicht in den Griff bekommen. Zudem droht bei Planern die Gefahr, dass eine Reduktion des Nachhaltigkeitsbegriffs auf überwiegend quantifizierbare und ingenieurwissenschaftliche Sachverhalte – wie bei den verbreiteten Gebäudelabels derzeit üblich – zu einer Ablehnung des zugrunde liegenden Nachhaltigkeitsverständnisses führt. Liegt hierin der Grund dafür, dass einige Architekten beim Thema Nachhaltigkeit auf Distanz gehen? Oder sich auf den Standpunkt zurückziehen, dass die tradierten Werte der Baukunst – gute Planung, sorgfältige Details, ordentliche Ausführung – bereits dem Nachhaltigkeitsanspruch genügen?

Aber Baukultur und Nachhaltigkeit sind weder eine Tautologie noch stehen sie in einem Widerspruch zueinander. Und wir können das Nachhaltigkeitsgebot auch nicht aus unserem Zuständigkeitsbereich ausklammern. Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplanern kommt die Aufgabe zu, Baukultur mit Nachhaltigkeit zu vereinbaren und an den Schnittstellen die derzeit noch weitgehend unbearbeiteten kulturellen, architektonischen und gestalterischen Potenziale zu lokalisieren und zu nutzen. Die Bedeutung und Wirkkraft des architektonischen Entwurfs als Beitrag zum nachhaltigen Bauen ist noch längst nicht ausgeschöpft.

Handlungsfelder und -optionen
Wir überschauen mittlerweile die Ziele, Kriterien, Indikatoren, Methoden und Werkzeuge des nachhaltigen Bauens soweit, dass wir nicht mehr vor einem Wissensdefizit, sondern vor einem Umsetzungs- oder Handlungsdefizit stehen. Es bedarf Strategien, um Wirkungen und Wechselbeziehungen von Nachhaltigkeitsaspekten zu erkennen und phasengerecht zu behandeln. Die Publikation verfügt daher über einen eigenen und neuartigen Ansatz, die gebräuchlichen Nachhaltigkeitsanforderungen (z.B. visueller und thermischer Komfort) mit typischen Planungsthemen (z.B. Fassadenausbildung) zu verknüpfen. So garantieren etwa eine geschickte Dimensionierung und Lage der Fensteröffnungen eine gute Tageslichtversorgung und vermeidet Überhitzung, bei Einsparung von Energie und Lebenszykluskosten. Zudem orientiert sich der Leitfaden an den Fragestellungen von Architekten und ihren Planungsphasen. Denn Architekten sind bei der Vielzahl an Beteiligten im Hochbau als die maßgeblichen Akteure bei fast allen nachhaltigkeitsrelevanten Entscheidungen direkt involviert. Die Handlungsoptionen untergliedern sich anhand von fünf Handlungsfeldern:

Funktionalität und Komfort (Kapitel A – E.1)
Eine hohe Funktionalität und kommunikationsfreundliche Strukturen im Gebäude und im Außenraum gewährleisten anhaltende Nutzungsqualitäten. Dazu zählt auch die Ausbildung einer zeitgemäßen und umweltgerechten Mobilitätsinfrastruktur. Barrierefreie Gestaltung sollte für Architektur und Freiraum selbstverständlich sein. Partizipation und Öffentlichkeitsbeteiligung gelten als wichtige Faktoren zur Erhöhung der Akzeptanz und Zufriedenheit, auch hinsichtlich der Definition von Behaglichkeits- und Komfortstandards. Im Sinne der Nachhaltigkeitsziele gilt es hierbei nicht unbedingt die maximale Behaglichkeit, sondern das „optimale Minimum“ anzustreben.

Energie (Kapitel A – E.2)
Energieoptimierte Gebäude, die sich auf Basis des lokalen Energieangebots versorgen, erfordern eine differenzierte Betrachtung der Anforderungen und Ziele sowie eine Analyse der Energiepotenziale. Frühzeitig sind alle energetisch relevanten Entwurfsaspekte in einem Energiekonzept zusammenzufassen, denn es bildet eine wesentliche Grundlage für die Realisierung nachhaltiger Gebäude. Im interdisziplinären Planungsprozess sind die Aspekte und Schnittstellen zur Bauphysik und zur technischen Gebäudeausrüstung zu beachten, teilweise auch zur Tragwerksplanung und zur Planung der Freianlagen. Ob es gelingt, eine überzeugende sinnliche und emotionale Präsenz solaraktiver Gebäudehüllen zu entwickeln, wird auf die gesellschaftliche Akzeptanz der Energiewende und die baukulturelle Vielfalt entscheidenden Einfluss ausüben.

Material (Kapitel A – E.3)
Die Baustoffwahl zählt zu den Kernaufgaben von Architekten, Innen- und Landschaftsarchitekten. Zunehmend gewinnen dabei neben funktionalen und gestalterischen Kriterien auch nachhaltigkeitsbezogene Aspekte an Bedeutung. Die Bauökologie thematisiert die Ressourcennutzung und die Umweltwirkungen des Bauens über den Lebenszyklus und verwendet hierfür Ökobilanzen (Life Cycle Assessment – LCA). Ein ressourceneffizientes Gebäude gewährleistet zudem einen geringen Instandhaltungs- und Reinigungsaufwand, den Um- und Rückbau mit Rückführung der Baustoffe in den Materialkreislauf sowie eine reduzierte Belastung lokaler Ressourcen wie Wasser.

Schadstoffe (Kapitel A – E.4)
Die sorgsame Auswahl schadstoff- und emissionsarmer Baustoffe trägt wesentlich dazu bei, die Behaglichkeit in Innenräumen für die Nutzer, den Gesundheitsschutz sowie den Schutz der lokalen Umwelt sicherzustellen. Infolge des verstärkten Bedürfnisses nach gesunden Lebensverhältnissen bedarf es Methoden zur Integration der Anforderungen in den Planungsprozess sowie neuartiger Bearbeitungsschritte.

Wirtschaftlichkeit (Kapitel A – E.5)
Oftmals wird beim Bauen der Begriff Wirtschaftlichkeit auf die Herstellungskosten reduziert. Weitsichtige Bauherren sind sich hingegen bewusst, dass Entscheidungen, die in der Planungsphase getroffen werden, über Auswirkungen auf die Kosten während der gesamten Nutzungsdauer verfügen. Die Lebenszykluskostenberechnung (Life Cycle Costing – LCC) ermöglicht die umfassende Betrachtung und Optimierung der Summe aller Kosten für die Errichtung, Nutzung und Entsorgung des Gebäudes.

Kosten von Umweltschäden – z.B. durch CO2-Emissionen – gehen aktuell nicht zulasten der Verursacher, sind jedoch von großer gesamtgesellschaftlicher Relevanz. Hier sind Politik und Gesetzgebung gefordert, einen Wandel der Strukturen herbeizuführen und die „Schadenskosten“ in volkswirtschaftliche Betrachtungen einzubeziehen. Förderprogramme für nachhaltiges Bauen würden sich dann erübrigen.

Unser Berufsstand ist mit der progressiven Fähigkeit zur Ermöglichung eines anderen Lebens ausgestattet. Der Architekt und Vordenker Manfred Hegger bemerkte hierzu: „Die Aufgabe ist keine geringere, als die materielle Grundlage unserer Zivilisation umzugestalten. Die große Barriere liegt in unseren Köpfen – wir können uns eine nachhaltige Zukunft, nachhaltiges Bauen für die Zukunft noch nicht vorstellen. Auf einem Planeten mit viel Armut ist der Mangel an Vorstellungskraft die größte Armut. An diese Armut dürfen wir uns nicht gewöhnen. Architekten, Planer und Ingenieure haben beste Voraussetzungen, die Bausteine einer nachhaltigen, besseren Zukunft zu entwickeln, zu visualisieren und in den großen, globalen Zusammenhang zu stellen, nicht als Tagträumerei, sondern wie Städte und Häuser als Ganzes sowie im Detail aussehen könnten.“ [4]

 

Anmerkungen:
[1] Peter Steiger: Der kritische Weg zur nachhaltigen Bauweise. In: Baustoff Atlas, München 2005
[2] Wolfgang Sachs: http:// magazin.cultura21.de/per spektiven/denkanstoesse/ mas-voll-leben.html
[3] BNP Paribas Real Estate: htt-www.realestate. bnpparibas.de/bnppre/de/ research/investments-greenbuildings- weiterhin-top- 2017-p_1681422.html
[4] Manfred Hegger: Die Dinge richtig tun – über Effizienz und Nachhaltigkeit. In: Energie Atlas, München 2007