Baustellenverordnung
Im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen sind Beschäftigte im Baubereich einem besonders hohen Unfall- und Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Die Unfallquoten, insbesondere auch die Anzahl der Unfälle mit tödlichem Ausgang oder schweren Verletzungen, sind mehr als doppelt so hoch wie im Durchschnitt aller übrigen Wirtschaftszweige.
Besondere Gefahrensituationen ergeben sich auf einer Baustelle. Dort ändern sich die Arbeitsbedingungen ständig, Witterungseinflüsse, Termindruck und das zeitgleiche Arbeiten von Beschäftigten verschiedener Arbeitgeber und Gewerke sorgt für ein hohes Gefahrenpotenzial. Dies stellt besondere Anforderungen an die Koordination und Abstimmung der erforderlichen Schutzmaßnahmen. Zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten auf Baustellen wurde die Baustellenverordnung erlassen. Sie beruht auf § 19 des Arbeitsschutzgesetzes und trifft besondere Regelungen für die spezifischen Anforderungen auf Baustellen.
Die Baustellenverordnung (BaustellV) ist seit 1998 in Kraft. Sie weist die Verantwortung für die Sicherheit auf der Baustelle grundsätzlich dem Bauherrn zu, allerdings betreffen einige der Regelungen direkt oder indirekt den bauleitenden Architekten.
Nach § 4 der BaustellV sind Maßnahmen der §§ 2 und 3 i.d.R. vom Bauherrn zu treffen, er kann jedoch einen Dritten, also z.B. seinen Architekten, beauftragen, diese Aufgaben für ihn zu übernehmen. Das dürfte bei der Mehrzahl der Bauherrn der Fall sein. Soweit kein gesonderter Sicherheits- und Gesundheitskoordinator (SiGeKo) engagiert wurde, können dem bauleitenden Architekten regelmäßig die Durchführung der Maßnahmen nach § 2 BaustellV "Planung der Ausführung des Bauvorhabens" sowie die Leistungen nach § 3 BaustellV "Koordinierung" im Sinne einer besonderen Leistung übertragen werden.
§ 5 BaustellV beschreibt die Pflichten des Arbeitgebers, auch hier kann das Architekturbüro unmittelbar betroffen sein, bezogen auf den Einsatz eigener Mitarbeiter auf der Baustelle. In § 6 BaustellV werden auch die Personen, die ohne Beschäftigte auf der Baustelle tätig sind, also z.B. selbständige Architekten, aufgefordert, die Arbeitsschutzvorschriften einzuhalten. Beachten Sie, dass es sich auch bei Baustellen um eine Arbeitsstätte im Sinne der Arbeitsstättenverordnung handelt.
Sicherheits- und Gesundheitskoordination (SigeKo)
Aufgrund der Baustellenverordnung (BaustellV), die seit 1.7.1998 anzuwenden ist, muss der Bauherr bei Planung und Ausführung eines Bauvorhabens Maßnahmen treffen und die Arbeit auf der Baustelle so gestalten, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird. Damit trifft den Bauherrn erstmals eine Mitverantwortung für die Arbeitssicherheit auf der Baustelle! Die Verantwortung der Unternehmer für die Arbeitssicherheit ihrer Beschäftigten wird davon nicht berührt!
Was hat der Bauherr zu tun?
Der Bauherr kann die Leistungen nach BaustellV selbst übernehmen oder er beauftragt einen Dritten, z.B. einen Architekten, diese Leistungen in eigener Verantwortung zu erbringen.
Notwendigkeit des SiGeKo
Nach § 3 Abs. 1 der BaustellV muss ein geeigneter Koordinator bestellt werden, wenn Beschäftigte mehrerer Arbeitgeber auf einer Baustelle tätig werden. Eine Baustelle im Sinne der Verordnung ist nach § 1 Abs. 3 der Ort, an dem ein Bauvorhaben ausgeführt wird. Ein Bauvorhaben ist das Vorhaben, eine oder mehrere bauliche Anlagen zu errichten, zu ändern oder abzubrechen. Der Begriff „bauliche Anlage“ ist dabei weiter gefasst, als der des Gebäudes, so sind beispielsweise auch Mauern, Schwimmbecken, Terrassen usw. bauliche Anlagen.
Wesentliche Leistungen des SiGeKo
Bei Baumaßnahmen von mehr als 30 Arbeitstagen, bei denen mehr als 20 Beschäftigte gleichzeitig tätig sind, bzw. der Umfang der Arbeiten voraussichtlich 500 Personentage überschreitet, muss dem zuständigen Gewerbeaufsichtsamt mindestens 2 Wochen vor Baustelleneinrichtung eine Vorankündigung übermittelt werden mit Angaben über Ort, Art, Beginn und Dauer der Baustelle, Name und Anschrift von Bauherr und Koordinator. Die Vorankündigung ist sichtbar auf der Baustelle auszuhängen. Ein Musterformular für die Vorankündigug (PDF) können Sie hier herunterladen und ausdrucken.
Es muß ein SIGEPLAN (Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan) mit den anzuwendenden Arbeitsschutzmaßnahmen vor Einrichtung der Baustelle erstellt werden, wenn
- auf der Baustelle Beschäftigte mehrerer Arbeitgeber tätig werden und eine Vorankündigung erforderlich wird, oder wenn
- auf der Baustelle Beschäftigte mehrerer Arbeitgeber tätig werden und besonders gefährliche Arbeiten ausgeführt werden (z.B. Arbeiten, bei denen die Beschäftigten der Gefahr des Absturzes von mehr als 7 m ausgesetzt sind). Der Koordinator hat eine Unterlage zusammenzustellen mit den erforderlichen Angaben zur Arbeitssicherheit bei späteren Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten.
Qualifikation des SigeKo: Wer kann die Leistungen nach BaustellV in Auftrag nehmen?
Die BaustellV spricht nur davon, dass der Koordinator "geeignet" zu sein hat. In den "Regeln zum Arbeitsschutz", kurz RAB, hat das Bundesarbeitsministerium die erforderlichen Qualifikationen präzisiert. Erforderlich sind:
- baufachliche Kenntnisse
- arbeitsschutzfachliche Kenntnisse
- Koordinatorenkenntnisse
- berufliche Erfahrung in Planung und Ausführung von Bauvorhaben.
Wer geeignet ist, wird unter Punkt 4 in der RAB 30 genauer beschrieben, dafür werden Bauvorhaben je nach Schwierigkeit in zwei Stufen. Beim Nachweis der erforderliche Qualifikationen wird unterschieden zwischen Stufe 1, Maßnahmen mit geringen bis mittleren Anforderungen, und Stufe 2, allen anderen Planungs- und Baumaßnahmen. Für Stufe 2 kommen in der Regel nur Architekten oder Ingenieure in Frage, Stufe 1 kann eventuell auch von anderen baufachlich Ausgebildeten abgewickelt werden. Der Bauherr muss sich von der Eignung des Koordinators überzeugen. Der Koordinator hat gegenüber dem Bauherrn für das konkrete Bauvorhabennachzuweisen, dass er über die dafür erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügt. Legt er entsprechende Zeugnisse, Bescheinigungen oder Referenzen vor, kann der Bauherr von der erforderlichen persönlichen Eignung ausgehen. Dies kann im Schadens-/Haftungsfall für Bauherr und SiGeKo von großer Bedeutung sein. Spätestens dann muss eine entsprechende Qualifikation nachgewiesen werden können.
In jedem Fall sollte sich der Bauherr informieren, ob die Qualifikation des Koordinators der RAB entspricht. Falls der Architekt, der mit der Planung und Durchführung eines Bauvorhabens beauftragt ist, die Leistungen nicht selbst erbringt, sollte man sich von ihm zur Wahl eines geeigneten Koordinators beraten lassen.
Haftung des SiGeKo
Architekten, die für Ihre Bauherrn als Sicherheits- und Gesundheitskoordinator tätig werden, benötigen einen entsprechenden Versicherungsschutz als Bestandteil der üblichen Berufshaftpflichtversicherung. Einzelne Versicherer machen den Versicherungsschutz vom Nachweis des Besuchs einschlägiger Fortbildungsveranstaltungen oder anderer individueller Voraussetzungen des Versicherungsnehmers abhängig. Es empfiehlt sich vor Auftragsannahme die nachweisbare Klärung des erforderlichen Versicherungsschutzes.
Vergütung des SiGeKo: Honorierung von Leistungen nach BaustellV
Leistungen nach BaustellV sind weder Grundleistungen noch besondere Leistungen des Architekten nach der Honorarordnung HOAI. Es handelt sich um zusätzliche Leistungen, die gesondert honoriert werden müssen. Wie bei Fachingenieuren – z.B. bei Statiker oder Elektroplaner – fällt für diese Leistungen ein eigenes, vom Architektenhonorar völlig unabhängiges Honorar an. Die Leistungen können nach einem zu vereinbarenden Stundenhonorar oder gemäß einer vereinbarten Pauschale honoriert werden. Es gibt keine verbindliche Honorarordnung für diese Leistungen.
Mit dem Auftraggeber sollte ein schriftlicher Vertrag über die zu erbringenden Leistungen geschlossen werden. Hinweise zur Honorarvereinbarung und zum Leistungsbild des SigeKo bietet Heft 15 der AHO Schriftenreihe, das hier bestellt werden kann.
Informationen – Fortbildungsangebote
Ihr Architekt informiert Sie gerne über die Anforderungen der Baustellenverordnung. Ebenso informieren die Bauberufsgenossenschaften und, als in Bayern zuständige Behörde, die jeweiligen Gewerbeaufsichtsämter.
Architekt sollten gemeinsam mit Ihrem Bauherrn klären, wer die Leistungen nach BaustellV erbringen wird. Wenn der ausführende Architekt die Leistungen nicht selbst übernimmt, besteht dennoch eine Hinweispflicht gegenüber dem Bauherrn bezüglich der Anforderungen nach BaustellV.
Vor Übernahme eines Auftrags als Koordinator wird der Besuch einer entsprechenden Fortbildungsveranstaltung empfohlen. Aktuelle Angebote der Akademie für Fort- und Weiterbildung finden Sie hier.