Novelle der BayBO

Kammervorstand zum Abstandsflächenrecht...


Pressemitteilung der Bayerischen Architektenkammer vom 16.10.2020

Novelle der Bayerischen Bauordnung (BayBO):
Bayern braucht ein einheitliches und innovatives Abstandsflächenrecht

Die Bayerische Staatsregierung hat am 23.06.2020 den Gesetzentwurf zur Vereinfachung baurechtlicher Regelungen und zur Beschleunigung sowie Förderung des Wohnungsbaus (Drs. 18/8547) in den Bayerischen Landtag eingebracht. Nach der ersten Lesung in der Vollversammlung am 07.07.2020, wurde der Gesetzentwurf an den federführenden Ausschuss für Wohnen, Bau und Verkehr überwiesen. Dieser befasst sich am kommenden Dienstag (20.10.2020) mit den geplanten Änderungen für das Baurecht in Bayern. 

Der Vorstand der Bayerischen Architektenkammer unterstützt die politische Zielsetzung der Novelle, den Wohnungsbau in Bayern zu beschleunigen und zu fördern. Leider wurde mit dem aktuell vorliegenden Gesetzentwurf die Chance vertan, das Thema Bauen im Bestand mit entscheidenden Privilegien gegenüber Neubauten auszustatten. So hätte man sowohl dem Anspruch an flächen- und ressourcenschonendes Bauen besser gerecht werden als auch die vorhandenen Klimaschutzziele im Bausektor aktiver angehen können. Die Behandlung dieses Themas hat oberste Priorität und muss von der Bayerischen Staatsregierung nun baldmöglich weiter betrieben werden.

Anlässlich der geplanten Diskussion im Ausschuss für Wohnen, Bau und Verkehr am 20.10.2020 möchte die Bayerische Architektenkammer folgende drei kritischen Aspekte der geplanten Novelle nochmals besonders hervorheben:

  • Bayern benötigt dringend ein einheitliches und innovatives Abstandsflächenrecht, das sofort in Kraft tritt, und zusätzlich die Qualität von dadurch freiwerdenden Freiräumen regelt
    Die geplante Verkürzung der Abstandsflächen auf 0,4 H (Art. 6 BayBO) greift die gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahre auf: Das Bedürfnis nach Urbanität durch Dichte und auch die Durchmischung von Wohnen und Arbeiten zeigt sich beispielsweise an der Beliebtheit von Stadtteilen wie Schwabing oder Neuhausen in München. Gleiches gilt für das notwendige und akzeptierte Flächensparen. Im ländlichen Raum führt dies dazu, dass Ortschaften nach dem Prinzip „innen vor außen“ weiterentwickelt werden können.

    Die Einheitlichkeit des Abstandsflächenrecht bedarf keiner regionalen Sonderregelungen durch die BayBO. Bereits jetzt können Städte und Gemeinden bei Abweichungen entsprechende Satzungen erlassen.

    Und auch die im Entwurf vorgeschlagene Regelung, das geänderte Abstandsflächenrecht erst ein Jahr nach Inkrafttreten der BayBO in Kraft zu setzen, ist überaus kritisch zu sehen. Gerade in der aktuellen Phase der Pandemie ist eine einheitliche und verlässliche Rechtssetzung gefragt, um notwendige Investitionen voranzutreiben und konjunkturelle Defizite der Baubranche auszugleichen. Eine Verzögerung der Novelle beim Abstandsflächenrecht hat absehbare Folgen für die gesamte Baubranche, insbesondere für den dringend benötigten Wohnungsbau. Es ist zu erwarten, das geplante Bauvorhaben gezielt zurückgestellt werden, weil Bauherren und Investoren auf die neuen, verkürzten Abstandsflächen warten.

    Mit einer Verkürzung der Abstandsflächen auf 0,4 H ist auf Grund der intensiveren baulichen Ausnutzung jedoch bereits jetzt abzusehen, dass in Siedlungsgebieten Bewohnern potentiell weniger nutzbarer Freiraum zur Verfügung stehen wird. Umso wichtiger – und das zeigt gerade die Pandemie – wird dann die Qualität des Freiraums sein. Wir fordern deshalb, dass die Qualität des Freiraums zum Bauantrag verpflichtend durch einen qualifizierten Freiflächengestaltungsplan nachgewiesen wird und die Liste der Bauvorlagen im Rahmen der Novellierung an geeigneter Stelle erweitert wird. Kosten, die für die Freiflächenplanung ausgelöst werden, betrachten wir als sinnvolle Investition für nachfolgende Generationen und als Mehrwert für Bewohner und Nutzer sowie das Quartier. Eine lebenswerte Umwelt ist zudem eine Investition in die langfristige Gesundheitsvorsorge. 
  • Mehr qualifiziertes Personal und umfassende Digitalisierung bei den Prozessen statt Fristen und sog. „Genehmigungsfiktion“
    Die unteren Baugenehmigungsbehörden brauchen statt kurzer Fristen mehr Personalkapazitäten für qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um Prüfvorgänge im Rahmen der bestehenden Verfahren zu beschleunigen und belastbare, gemeinwohl-orientierte und vor allem rechtssichere Genehmigungen auszusprechen. Statt einer Genehmigungsfiktion, die unnötig „Fronten“ zwischen den Beteiligten aufbaut, scheint aus Sicht des Berufsstands wesentlich, Digitalisierungsprozesse umfassend und schnellstmöglich in die Genehmigungsverfahren zu implementieren, um damit ein funktionsfähiges und leistungsstarkes System im Schulterschluss zwischen Entwurfsverfassern und Genehmigungsbehörden zu sichern.
  • Qualität entsteht durch Vielfalt, nicht durch Stereotype
    Deshalb lehnen wir als Berufsstand die Einführung von Typengenehmigungen wie sie in
    Art. 73 a BayBO vorgesehen sind, ab. Sie führen zu stereotypen Gebäudestrukturen und Nachteilen in der Bau- und Planungskultur in Bayern. Mit ihrem Know-how und ihrer Erfahrung sind Architekten in der Lage, ansprechende und innovative Projekte auf den Weg zu bringen, die für den jeweiligen Ort identitätsstiftend sind und nachhaltig Heimat schaffen. Nicht nur bei den jährlichen stattfindenden Architektouren in ganz Bayern stellen dies unsere Kammermitglieder mit ihren realisierten Projekten der Architektur, Innenarchitektur, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung immer wieder bestens unter Beweis.

Im Rahmen der Verbändeanhörung zur Novelle hat sich die Bayerische Architektenkammer mit einer ausführlichen Stellungnahme geäußert.