01.02.2023

02/2023 Klimagerechte Entwicklung in kleinen Gemeinden – Beispiele aus dem Landesentscheid "Unser Dorf hat Zukunft"

Klimaschutz

Meinheim im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen

Meinheim im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen

Foto: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

"Wenn die Zeit kommt, in der man könnte, ist die vorüber, in der man kann."

Marie von Ebner-Eschenbach

 

Beim Klimaschutz und der Anpassung an die Folgen des Klimawandels haben viele große und mittlere Städte inzwischen umfangreiche Strategien erstellt, Aktionspläne auf den Weg gebracht und ein Klimaschutz- und Anpassungsmanagement mit der Umsetzung betreut. Die Bau- und Planungsämter integrieren nachhaltiges Planen und Bauen und arbeiten an der klimagerechten Stadt.

Wie sieht es in den zahlreichen kleinen Gemeinden und Ortschaften aus?

Dort wo nicht selten einige wenige tatkräftige Personen die ganze Bandbreite kommunaler Verwaltung verkörpern, wo Ortschaften in Verwaltungsgemeinschaften organisiert sind und wo dennoch ein nicht unerheblicher Anteil der Fläche Bayerns unter kommunaler Planungshoheit steht. Wie viel Aufmerksamkeit kommt der Energie- und Ressourceneffizienz, der Vorsorge gegen Klimarisiken oder der Förderung biologischer Vielfalt in den ganz unterschiedlichen Settings des "ländlichen Raums" zu?

Einen nicht repräsentativen, dafür aber überraschend ermutigenden Eindruck hierzu liefern die Gemeinden, die sich auf Landesebene im unter Schirmherrschaft des Bundespräsidenten ausgerufenen Wettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft" präsentieren durften. Fünfzehn Orte, die sich zuvor bereits erfolgreich auf Kreis- und Bezirksebene erfolgreich durchsetzen konnten, präsentierten im September 2022 einer vom Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eingesetzten Jury eine Vielzahl positiver Beispiele und erfolgreicher Ansätze, die vor allem durch Kooperation, Engagement und kluges Vorgehen auf der lokalen Ebene geprägt sind.

Wege und Maßnahmen

Besonders das Ziel Energieversorgung unabhängig von fossilen Energieträgern regional selbst bereitzustellen und damit die Wertschöpfung vor Ort zu steigern und zu festigen steht oft im Vordergrund der Bestrebungen. Jede Gemeinde findet dabei einen eigenen Weg und Mix an Maßnahmen. Die energetische Sanierung kommunaler Gebäude und deren Ausstattung mit PV-Anlagen sind häufig erste Maßnahmen. Schorndorf im Landkreis Cham stattet seit 2018 konsequent alle kommunalen Gebäude mit PV-Anlagen aus und erzielt mittlerweile mehr Strom als durch Haushalte und Unternehmen verbraucht wird. Die Einnahmen aus dem Überschuss kommen dem kommunalen Investitionshaushalt zugute. Ehingen am Ries im Landkreis Donau-Ries erzeugt mittels Freiflächen-Photovoltaik einen Stromüberschuss und baut ein Nahwärmenetz aus das mit lokal erzeugtem Biomethan und Hackschnitzeln betrieben wird. Die Versorgung mit Strom und Energie vor Ort in der Hand zu behalten und auf regionales Wirtschaften abzustellen bietet dabei Resilienz gegen externe Schocks und Krisen. Bei langfristigem Betrieb und ohne Renditeabsichten lassen sich für Bürgerinnen und Bürger Energiepreise erzielen, die einen Bruchteil des Marktpreises darstellen. Neben Ehingen am Ries zeigen dies auch zwei Beispiele in denen man die Energieversorgung schon lange lokal und genossenschaftlich organisiert. Markt Mitwitz im Landkreis Kronach ist Teil der Energievision Frankenwald und engagiert sich bei Beratung, Information, Kinder- und Jugendbildung. Bereits 2009 gründete man hier die Genossenschaft Energie Mitwitz eG. Sie betreibt mit regional erzeugten Hackschnitzeln ein Biomassekraftwerk und versorgt ca. 120 Gebäude mit günstiger und nachhaltiger Wärme. In Meinheim im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen bewahrt man auf vorbildliche Weise den historischen Baubestand. Gleichzeitig erzeugen PV-Anlagen auf unzähligen Dächern ein Vielfaches des eigenen Strombedarfs. Mit der Nahwärme Meinheim eG betreibt man seit vielen Jahren bürgerschaftlich eine Genossenschaft die rund 100 Haushalte mit Wärme aus zwei regional bewirtschafteten Biogasanlagen versorgt. Sieben Kilometer Wärmenetz sind im Besitz der Genossenschaft, das zahlt sich langfristig aus. Ein neues Baugebiet wird obligatorisch angeschlossen. Huglfing im Landkreis Weilheim-Schongau ist Mitglied "Energiewende Oberland". Um die Energieversorgung umzubauen und unabhängig von fossilen Energieträgern zu werden wurde ein Energienutzungsplan erstellt. Dieser ermittelt Daten zum aktuellen Energieverbrauch und erfasst in einem Wärmekataster Jahreswärmebedarf und Potentiale für Wärmepumpen gebäudescharf. Zudem werden Maßnahmen entwickelt. Etwa zusätzliche PV-Anlagen auf kommunalen Gebäuden sowie der Ausbau einer Ladeinfrastruktur für die E-Mobilität an konkreten, frequentierten Stellen des Gemeindegebiets.

Potenzial für die wirtschaftliche Entwicklung

Neben der Eigenversorgung bietet die Energieerzeugung vor Ort also auch Potenzial für die wirtschaftliche Entwicklung. Bei sorgsamer Planung lassen sich regenerative Energien in die Landschaft, Ökologie und Produktion vor Ort integrieren. In Meinheim hat man dieses Potential erkannt und schafft die die planungsrechtlichen Grundlagen für eine Photovoltaik-Freiflächenanlage mit einer Leistung von 12,7 MWp an der sich die Gemeinde mit 5% beteiligt. Die Agri-PV-Anlage kombiniert die Nutzung der Sonnenergie mit dem landwirtschaftlichen Anbau von Kleegras als Biogassubstrat und bietet schafft gleichzeitig Lebensraum für gefährdete wiesenbrütende Vogelarten. Auch Fuchsstadt im Landkreis Bad Kissingen geht diesen Weg. Die Gemeinde die interkommunal in der ILE Allianz Fränkisches Saaletal an der Energieautarkie arbeitet baut das Nahwärmenetz aus und schafft auf Gemeindegebiet Windkraftanlagen sowie eine große Freiflächen-Photovoltaikanlage. Auf dem ca. 72 ha großen Gelände werden PV-Flächen von rund 48 ha geschaffen. Bestehende Feldgehölze werden integriert und naturschutzfachliche Ausgleichsflächen auf dem Gelände, das durch Schafe beweidet werden soll, realisiert.

Nicht unr die Energieeffizienz, auch die Vorsorge gegen Klimarisiken wie Hitze und Starkregen rückt allmählich in den Vordergrund. Gärten, Außenanlagen und öffentliche Grünräume werden zunehmend als Teil einer blau-grünen Infrastruktur verstanden und entwickelt. Die Gemeinde Bodenwöhr im Landkreis Schwandorf, die sich zum Ziel der Klimaneutralität bekannt hat und ein integriertes nachhaltiges städtebauliches Entwicklungskonzept umsetzt, bietet ihren Bewohnerinnen und Bewohnern ein vorbildliches Netz öffentlicher Grünräume, das Verbindungen mit den angrenzenden Landschaftsräumen schafft. In neuen Baugebieten wird wassersensibel geplant und der Starkregenthematik Rechnung getragen. In Zedwitz, einem Ortsteil der Gemeinde Feilitzsch im Landkreis Hof, das mit sechs anderen Ortschaften eine Verwaltungsgemeinschaft bildet hat man sich zu einer großen Geste entschlossen: Mit einem Außenbereich im Innenbereich sichert man sich eine öffentliche Grünfläche, die nach dem Prinzip eines Central Park für alle Bewohnerinnen und Bewohner zentral gelegen ist und klimatischen Ausgleich bereitstellt. Neben Kinderspiel, öffentlichem Grün, extensiven Bereichen und einer landwirtschaftlichen Fläche ist die sogenannte "Grüne Lunge" geprägt durch einen kleinen Kartoffel- und Gemüseacker, Fischteiche und zahlreiche Obstbäume. Die Bewirtschaftung erfolgt generationenübergreifend, durch Schulkinder, Jugendgruppen, Lehrerinnen und Lehrer sowie den Obst- und Gartenbauverein und leistet Bildungsarbeit für die Themen Natur, Regionalität und bewusster, nachhaltiger Konsum. Bemerkenswert ist außerdem, wie in Zedtwitz ein zuvor leerstehender Bauernhof von der Gemeinde sorgsam saniert und zu einem neuen Treffpunkt und Zentrum entwickelt wurde. Er beherbergt ein Café mit Mittagstisch und einen Dorfladen mit Vollsortiment und Direktvermarktung regionaler Produkte sowie eine vom Obst- und Gartenverein betriebene Obstpresse. Die Gemeinde hat hierzu eine Gesellschaft gegründet an der sich private Gesellschafter und über 70 Bürgerinnen und Bürger als stille Gesellschafter beteiligen.

Erfolg duch Vernetzung

Unabhängig von den Ausgangsbedingungen und strukturellen Merkmalen zeigen die erfolgreichen Beispiele: Durch Engagement, Kooperation und kluges Entwickeln und Wirtschaften mit den Ressourcen und Akteuren vor Ort können lokale Vorteile geschaffen und regionale Resilienz kultiviert werden. Während der Weg zur Klimaneutralität in großen Städten noch ein weiter ist, scheinen einige kleine Gemeinden proaktiv und kreativ voranzugehen. Der Erfolg kommt durch die gemeinschaftliche Vernetzung vor Ort. Über Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft hinweg werden kommunale Gestaltungsmöglichkeiten und Instrumente genutzt und Projekte zielorientiert umgesetzt. Von dieser gemeinschaftlichen Hands-On Mentalität könnten sich auch die größeren Städte ab und an etwas abgucken.

Wenn Sie weitere Fragen zu den Themen kommunale Nachhaltigkeit oder zur Klimaanpassung und grün-blauen Infrastruktur haben, wenden Sie sich gerne direkt und kostenfrei an die Expertinnen und Experten der BEN – Beratungsstelle Energieeffizienz und Nachhaltigkeit: E-Mail: ben@byak.de; Tel.: 089 139880 88; www.byak-ben.de

Autor: Markus Weinig

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