12/2023 Grauwasser – eine unterschätzte Ressource

Avatar of BEN BEN - 01. Dezember 2023 - Klimaschutz

Pflanzenkläranlage in einem Schulgarten in München

Pflanzenkläranlage in einem Schulgarten in München

Foto: Friedericke Well

"Alles Wasser, das jemals sein wird, ist jetzt und hier. "

aus National Geographic

Im Sinne des klimaangepassten Bauens rückt der Umgang mit Wasser immer mehr in den Fokus eines nachhaltigen urbanen Ressourcenmanagements. Nicht nur die lokale Regenwasserbewirtschaftung, sondern auch der Trinkwasserverbrauch und das häusliche Abwasser wollen neu gedacht werden. Besonders vielversprechend ist dabei die lokale Wiederverwendung von gering verschmutztem Abwasser, sogenanntem Grauwasser, da es sich mit geringem Aufwand lokal aufbereiten lässt und vielseitig als Brauchwasser eingesetzt werden kann.

Was ist Grauwasser überhaupt?

Als Grauwasser wird – im Gegensatz zum Schwarzwasser – fäkalienfreies Abwasser bezeichnet, das beispielsweise beim Duschen, Händewaschen, in der Küche und beim Wäschewaschen anfällt. Von den 125 Litern Trinkwasser, die eine Person in Deutschland durchschnittlich pro Tag verbraucht, entfallen etwa 46 Liter auf gering verschmutztes Grauwasser (Dusche, Badewanne, Handwaschbecken) und etwa 44 Liter auf stärker verschmutztes Grauwasser (Küchenspüle, Spül- und Waschmaschine). Um diese Ressource nutzbar zu machen, ist zunächst die getrennte Erfassung der Abwasserströme Voraussetzung, was bei Neubauten leicht zu realisieren ist. Aber auch für den Bestand gibt es inzwischen technische Lösungen, wie z.B. In-Rohr-Systeme, die sich nachrüsten lassen.

Möglichkeiten der Grauwassernutzung

Einer der Hauptvorteile einer lokalen Wiederverwendung von Grauwasser ist die Verringerung des Trinkwasserverbrauchs. Ein hohes Potenzial dabei ist, dass Grau- im Gegensatz zu Regenwasser kontinuierlich zur Verfügung steht. Abhängig von den örtlichen Gegebenheiten lässt es sich sogar unaufbereitet einsetzen, z.B. zur Bewässerung von Dachbegrünung. Eine Studie der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf zeigte, dass Gründächer auf diese Weise "nicht nur wie bisher üblich als Trockenstandort mit Sedum-Begrünung konzipiert, sondern mit ökologisch wertvolleren und verdunstungsstärkeren Kräuter/Gräser-Mischungen bepflanzt werden" können. Solche verdunstungsmaximierten Gründächer erbringen bei trocken-heißer Witterung eine höhere Kühlleistung und können zur Verbesserung des Stadtklimas beitragen. Es bietet es sich an, gerade in heißen und trockenen Sommern, in denen kein Regenwasser zur Verfügung steht, mit Grauwasser zu bewässern. Es hat sich gezeigt, dass die Vegetation die geringere Wasserqualität in der Regel gut verträgt, ggf. kann auch ein Verschnitt mit Regenwasser erfolgen.

Die Nutzung von aufbereitetem Grauwasser als Brauchwasser ist derzeit am weitesten verbreitet. Zur Aufbereitung kommen rein technische Anlagen oder naturbasierte Systeme wie Pflanzenkläranlagen infrage. Pflanzenkläranlagen haben zwar einen höheren Platzbedarf, bringen aber auch den Vorteil mit sich, dass sie sich in die Freiflächengestaltung integrieren lassen und dort durch natürliche Verdunstung das Mikroklima verbessern. Beim niederländischen Biesbosch Museum findet die Grauwasseraufbereitung beispielsweise in einem künstlich angelegten Feuchtgebiet statt, das sich von der Gebäudehülle aus über die Außenanlagen erstreckt. Für die Aufbereitung in vertikalen Pflanzenkläranlagen, die sich als Innenraum- oder Fassadenbegrünung umsetzen lassen, gibt es einige marktreife Systeme und weitere laufende Forschungs- und Entwicklungsprojekte.

Eine weitere Möglichkeit besteht in der Wiederverwendung im Haushalt. Für die Toilettenspülung und die Waschmaschine reicht die Brauchwasserqualität aus. Die dafür benötigte Menge hält sich in etwa die Waage mit dem im Bad anfallenden Grauwasser. Ein solcher interner Recyclingkreislauf reduziert den Trinkwasserverbrauch im Haushalt direkt um etwa 35 bis 40 Prozent. In Mehrfamilienhäusern und Wohnblocks können Aufbereitungsanlagen besonders effizient betrieben werden und amortisieren sich innerhalb weniger Jahre. Auch für Bürogebäude und Hotels bietet sich ein internes Brauchwassernetz an. Das Cradle-to-Cradle-zertifizierte Gebäude der Stadtverwaltung Venlo nutzt das in einer Pflanzenkläranlage aufbereitete Grauwasser wieder zur Toilettenspülung und gespeichertes Regenwasser zur Bewässerung der Fassadenbegrünung.

Die Zukunft der Abwassernutzung

Häusliches Abwasser bietet eine Vielzahl weiterer nutzbarer Ressourcen, die bisher kaum ausgeschöpft werden. Neben der Mehrfachnutzung von Wasser stehen beispielsweise auch Abwärme (Küchenspül- und Duschwasser) sowie hohe Nährstoffkonzentrationen im Schwarzwasser zur Verfügung. Im Hamburger Quartier Jenfelder Au werden Grau- und Schwarzwasser getrennt erfasst. Das Grauwasser wird aufbereitet und zusammen mit Regenwasser zur Bewässerung und die Toilettenspülung genutzt. Die dort eingesetzten Vakuumtoiletten haben zudem im Vergleich zur herkömmlichen WCs einen bedeutend niedrigeren Wasserverbrauch. Durch die Vergärung des Schwarzwassers entsteht Biogas, das zur Strom- und Wärmeerzeugung genutzt wird. Die technischen Innovationen sind also bereits vorhanden und bereit für den flächendeckenden Einsatz.

Nun gilt es, Vorbehalte gegenüber der lokalen Abwassernutzung abzubauen und sowohl Planende als auch Bauherren und Bauherrinnen für den ressourcenschonenden Umgang mit Wasser zu sensibilisieren.

Wenn Sie Fragen nachhaltigen und klimaangepassten Planen und Bauen haben, wenden Sie sich gerne direkt und kostenfrei an die Experten der Beratungsstelle Energieeffizienz und Nachhaltigkeit – BEN: ben@byak.de; Tel.: 089 139880 88; www.byak-ben.de

Autorin: Dr.-Ing. Friederike Well

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Diese Pflanzenkläranlage ist Teil einer blau-grünen Architektur, die mit Studierenden der Technischen Universität München in einem Schulgarten realisiert wurde. Die Bepflanzung des Bodenfilters mit unterschiedlichen Sumpfpflanzen leistet einen Beitrag zur Biodiversität auf dem Grundstück

Diese Pflanzenkläranlage ist Teil einer blau-grünen Architektur, die mit Studierenden der Technischen Universität München in einem Schulgarten realisiert wurde. Die Bepflanzung des Bodenfilters mit unterschiedlichen Sumpfpflanzen leistet einen Beitrag zur Biodiversität auf dem Grundstück

Foto: Friedericke Well
Das Impulsprojekt Stuttgart entstand im Rahmen des Forschungsprojekts INTERESS-I. Die Fassadenbegrünung an den temporären Container-Unterkünften wird mit einer Kombination aus Regenwasser und aufbereitetem Grauwasser bewässert.
Das Impulsprojekt Stuttgart entstand im Rahmen des Forschungsprojekts INTERESS-I. Die Fassadenbegrünung an den temporären Container-Unterkünften wird mit einer Kombination aus Regenwasser und aufbereitetem Grauwasser bewässert. Die Zisterne leistet einen Beitrag zur Starkregenvorsorge und der Bodenfilter ist sehr kompakt in ein Container-Modul integriert.

Das Impulsprojekt Stuttgart entstand im Rahmen des Forschungsprojekts INTERESS-I. Die Fassadenbegrünung an den temporären Container-Unterkünften wird mit einer Kombination aus Regenwasser und aufbereitetem Grauwasser bewässert.

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Foto: Friederike Well
Das Impulsprojekt dient sowohl der interdisziplinären Forschung als auch der Öffentlichkeitsarbeit, um Bewusstsein für den Umgang mit urbanen Wasserressourcen zu schaffen.
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Foto: Friederike Well
Block 6, Berlin. Im Rahmen der IBA 1987 wurde ein innovatives Wasserkonzept für einen Wohnblock umgesetzt. Die naturbasierte Grauwasseraufbereitung (Pflanzenkläranlage) wurde 2006 durch eine technische Anlage ersetzt.

Block 6, Berlin. Im Rahmen der IBA 1987 wurde ein innovatives Wasserkonzept für einen Wohnblock umgesetzt. Die naturbasierte Grauwasseraufbereitung (Pflanzenkläranlage) wurde 2006 durch eine technische Anlage ersetzt.

Grafik: Well, F., Ludwig, F., 2019. Blue-green architecture: A case study analysis considering synergetic effects of water and vegetation.

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